Zum 24. Mal ging heuer die „ORF-Lange Nacht der Museen“ in ganz Österreich und in Teilen von Slowenien, Liechtenstein, der Schweiz und Deutschland am Samstag, 5. Oktober 2024, von 18.00 bis 24.00 Uhr über die Bühne. Unter den rund 660 Museen, Galerien und Kulturinstitutionen, die dabei ihre Sammlungen und Ausstellungen präsentierten, war heuer auch wieder das Museum Wörgl. Der Heimatmuseumsverein eröffnete dabei im Kulturraum die neue Sonderausstellung „100 Jahre Friedensarbeit in Wörgl“, die nach der Langen Nacht in den Sonderausstellungsraum im Museum in der Brixentaler Straße 1 im 1. Stock übersiedelt.
Zur Langen Nacht erlebten Museumsfans heuer gleich zwei Sonderausstellungen – jene zur Ur- und Frühgeschichte vom Landesmuseum Ferdinandeum zum letzten Mal. Die neue, zu der Heimatmuseumsvereinsobmann DI Josef Egenbauer im Kulturraum begrüßte, nimmt das 100-Jahr-Jubiläum des Wörgler Kameradschaftsbundes zum Anlass, angesichts aktueller Kriege Friedensarbeit zu thematisieren, an die Opfer zu erinnern und aus der Geschichte zu lernen.
Das Kriegstagebuch des Postamtsdieners Hermann Leitner
Den 1. Weltkrieg verarbeitete der Wörgler Postamtsdiener Hermann Leitner in seinem eigenhändig verfassten Kriegstagebuch auf über 300 Seiten, in dem er seine traumatischen Erlebnisse als Soldat und Kriegsgefangener aufzeichnete. Mag. Marlies Wohlschlager digitalisierte und transkribierte den historischen „Archiv-Schatz“, den Stadtarchivar Johann Federer 1959 von seinem Schulkameraden Leitner „zur Überlieferung an die Nachwelt“ erhalten hat. Wohlschlager schilderte in einem spannenden Vortrag die dramatischen Erlebnisse Leitners, die sie mit Darstellungen und Zeichnungen aus dessen Aufzeichnungen illustrierte.
Hermann Leitner wurde am 30.3.1883 in Kössen geboren, wuchs bei Zieheltern in Kitzbühel auf und übersiedelte mit der Ausbildung zum Postamtsdiener nach Wörgl. Am 25. Mai 1914 heiratete er Sophie Gebauer – doch das Familienglück währte nur kurz, am 2. August 1914 musste Hermann einrücken und erlebte die Grausamkeit des Ersten Weltkrieges bei mehrfachen Fronteinsätzen und jahrelanger Kriegsgefangenschaft in Russland, in der er noch besser behandelt wurde als bei der Heimkehr ins eigene Land. Leitner überlebte Verwundungen, Typhus und Malaria, wurde irrtümlich als Deserteur verhaftet und über die schlechte Behandlung bei der Rückkehr und den Undank des Vaterlandes schwermütig. Behandelt wie ein Verbrecher wünschte er sich den Gnadenschuss, der ihm verwehrt wurde. Der großen Enttäuschung in den letzten Kriegsmonaten folgte Arbeitslosigkeit nach der Rückkehr in Wörgl, in dem nach dem Zusammenbruch geraubt und geplündert wurde. Leitner blieb ein glückliches Familienleben versagt. Zwei Kinder starben 1921 und 1922 als Baby. Hermann Leitner schuf mit seinem Kriegstagebuch ein bemerkenswertes Zeitdokument, das die Gründung des Kameradschaftsbundes als Sozialverein zur Unterstützung der Kriegsopfer vor 100 Jahren nachvollziehbar macht. Leitner trat dem Kameradschaftsbund 1925 auch bei, von seinem weiteren Leben ist nichts überliefert.
Friedensarbeit beinhaltet, an die Opfer zu erinnern. Zum Gedenken an die Bombenangriffe der Alliierten am Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 findet seit Jahrzehnten nachts von 22. auf 23. Februar in der Wörgler Pfarrkirche die „Nachtanbetung des Allerheiligsten“ statt. Die Teilnahme daran zählt ebenso wie das Gedenken an die Kriegsopfer zu den jährlich wiederkehrenden Ausrückungen des Kameradschaftsbundes Wörgl, der am 16. Juni 2024 sein 100-Jahr-Jubiläum feierte. Mag. Clemens Mayr, der sowohl beim Heimatmuseumsverein als auch beim Kameradschaftsbund als Kassier im Vorstand mitwirkt, war federführend bei der Erstellung der Roll-Ups zur Sonderausstellung, die in Kooperation mit dem Kameradschaftsbund, mit Archivbildern von Stadtarchivar Franz Bode und Stadtchronist Toni Scharnagl und dem Anne Frank Verein Österreich zusammengestellt wurde.
Aktive Friedensarbeit heute
Der Anne Frank Verein Österreich mit Sitz in Wörgl leistet aktive Friedensarbeit durch die Mobilisierung junger Menschen mit Memory-Walks und Filmworkshops gegen Rassismus, Ausgrenzung und Diskriminierung. Aaron Peterer arbeitet für das Anne Frank Haus in Amsterdam und gestaltete schon mehrfach gemeinsam mit Wörgler Schulen Workshops, Ausstellungen und „Memory Walks“ in der Stadt zu Erinnerungsstätten an das NS-Grauen. Zuletzt 2023 mit der 4c-ARTEC-Klasse der Mittelschule NMS2 in Wörgl unter Mitwirkung der beiden Künstler Robert Freund und Mike Zangerl. Beim Erinnerungsprojekt DERLA_360 entstand mittels 360 Grad-Fotografie ein digitaler Rundgang zu Denkmälern an die Opfer der Nationalsozialisten in Wörgl. Peterer stellte bei der Langen Nacht das Schulprojekt sowie den seither online verfügbaren digitalen Rundgang vor. Der Heimatmuseumsverein kooperiert seit der Erstellung der Sonderausstellung zum Zwangsarbeiter Durchgangslager in Wörgl im Jahr 2016 mit dem Anne Frank Verein.
Weitere Infos zum Museum Wörgl wie auch den Link zum Derla_360_Wörgl-Projekt gibt´s auf der Museumswebsite www.museum.woergl.at