Spazierengehen im unmittelbaren Wohnumfeld zählt derzeit aufgrund der Corona-Virus-Einschränkungen des öffentlichen Lebens zu den noch wenigen erlaubten Aktivitäten im Freien, wobei dabei die behördlich vorgegebenen Abstands- und Versammlungsregeln einzuhalten sind. Dabei rückt das Nahe in den Fokus, da ein Verlassen der Heimatgemeinde nicht erlaubt ist. Und so stieg in den vergangenen Tagen deutlich die Besucherfrequenz am Fuchsweg im Süden von Wörgl. Sein Namensgeber ist allerdings nicht der pelzige Vierbeiner, sondern der Erbauer des Steiges Johann Fuchs. Die Errichtung des Wanderweges, der vom Tourismusverband Ferienregion Hohe Salve gepflegt und instand gehalten wird, fiel in die Zeit der Wirtschaftskrise zu Beginn der 1930er Jahre. Und wie auch beim Bau der Sprungschanze wurden die Arbeiter mit Wörgler Freigeld entlohnt.
Was verrät das Wörgler Stadtarchiv über jenen Mann, der sich selbst mit Schaufel und Pickel aufmachte und sich im Gelände über dem Talboden seinen Weg durch die Wälder und Schluchten im Süden Wörgls bahnte und damit eine Attraktion für den gerade aufkeimenden Tourismus in Wörgl Ende der 1920er und zu Beginn der 1930er Jahre schuf? Mit der Elektrifizierung der Eisenbahn 1927 endete das rauchende, luftverschmutzende Anheizen der Dampflokomotiven für die Fahrt über den Brenner. 1931 wurde das Heizhaus ganz geschlossen. Mit der deutlich besseren Luftqualität besserten sich auch die Aussichten für den neuen Wirtschaftszweig, der Skitouristen im Winter und wandernde Bergfreunde im Sommer in zunehmender Zahl anlockte.
Am 23. Dezember 1877 erblickte Johann Fuchs im Nachbarort Hopfgarten das Licht der Welt. Sein Job bei der Eisenbahn war wohl der Grund dafür, dass er sich 1907 in Wörgl niederließ und hier mit seiner Frau Theresia eine Familie gründete, die bis 1915 um fünf Töchter anwuchs. Als Bahnrichter war er Vorarbeiter jener Bahnbediensteten, die mit der Ausführung der Bahnunterhaltungsarbeiten betraut waren.
Als der ebenfalls aus Hopfgarten stammende Eisenbahner Michael Unterguggenberger 1931 mitten in der Weltwirtschaftskrise Bürgermeister von Wörgl wurde und für die Umsetzung seines Freigeld-Nothilfeprogrammes verlässliche Leute suchte, war für ihn klar: Johann Fuchs, bei der Bahn mittlerweile pensioniert, ist auf den Infrastruktur-Baustellen ein wertvoller Mitarbeiter, der auch hier seine Vorarbeiter-Qualitäten einbrachte.
Johann Fuchs & der Wörgler Verschönerungsverein
Bei der Hauptversammlung des Wörgler Verschönerungsvereines, dem Vorläufer des heutigen Tourismusverbandes, am 29. Mai 1929 wurde Johann Fuchs wie alle Funktionäre einstimmig in den Vorstand gewählt. Dass ihm besonders die Errichtung von Spazier- und Wanderwegen am Herzen liegt, davon zeugt das Protokoll der Ausschuss-Sitzung des Verschönerungsvereines am 30. Oktober 1931: „Herr Fuchs macht sich erbötig, mit Herrn Furtner zu sprechen, dass er die Erlaubnis erteilt, den Weg von der Mühle zur Georgs-Quelle herrichten zu lassen. Die Arbeiten würden von den Pensionisten selbst ausgeführt.“ Die Mühle stand am Eingang der Wörgler Schlucht, wo 1998 das Kraftwerk Müllnertal erbaut wurde – und die „Georgs-Quelle“ ist heute als „Bründl“ bekannt.
Zunächst kamen die Arbeiten aber nicht so recht in Gang. Bei der Ausschuss-Sitzung des Verschönerungsvereines am 19. Mai 1932 wurde festgehalten, „dass mit der Aufschotterung des Weges zur Georgsquelle noch zugewartet wird, bis das Mühlenzugebäude abgetragen wird, so dass man dann im Einverständnis mit dem Bürgermeisteramt das Abbruchmaterial zur Aufschotterung verwenden kann.“ Über Antrag des Gemeinderates Reinstadler wurde beschlossen, „einen Aufruf an die Arbeitslosen ergehen zu lassen, in dem zur freiwilligen und kostenlosen Mitarbeit bei Aufräumungsarbeiten etc. aufgefordert wird. Als kleines Entgelt für die Arbeiten wird vom Verkehrsverein pro 4 Stunden Arbeit eine Jause bestehend aus Brot und Käse, und vom Verschönerungsverein für dieselbe Arbeitszeit eine Badefreikarte abgegeben. Herr Fuchs übernimmt die Leitung dieser Arbeiten.“
Das Freigeld-Bauprogramm startet
Indessen schmiedete Bürgermeister Michael Unterguggenberger mit seinem Freiwirtschaftsverein und dem Wohlfahrtsausschuss das Programm der Wörgler Nothilfe-Aktion, die zur Beschäftigung Arbeitsloser die Durchführung eines Infrastruktur-Bauprogrammes vorsah – finanziert mit Arbeitsbestätigungsscheinen, die als Wörgler Freigeld weltweit bekannt wurden. Am 8. Juli 1932 beschloss der Gemeinderat einstimmig das Reglement der Wörgler „Krisenabwehr“, am 31. Juli 1932 wurden die ersten Löhne mit Freigeld ausbezahlt.
Am 16. August 1932 versammelt sich der Ausschuss des Verschönerungsvereines wieder. „Herr Baumeister Mayr und Herr Fuchs machen Vorschläge, den Verbindungsweg von der Georgsquelle zur Hennersbergerstraße instand zu setzen. Mit den Grund- und Waldeigentümern wird Herr Ing. Mayr, Gruber und Fuchs verhandeln. Herr Fuchs macht sich erbötig, 4 Bänke auf dem Weg von der Mühle zum Badel gegen Entgelt aufzustellen“, hält der Schriftführer fest.
Das Protokoll vom 30. August 1932 berichtet über die stattgefundene Begehung der Baustelle durch die Herren Ing. Mayr, Hutterer, Gruber, Stricker, Hochmuth, Fuchs und Gamsenberg: „Herr Ing. Mayr berichtet, dass durch das Entgegenkommen der Gemeinde bzw. des Herren Bürgermeister Unterguggenberger die Gelegenheit geboten ist, den Weg von der Georgsquelle zur Hennersbergerstraße und gleichzeitig den von Herrn Fuchs in Vorschlag gebrachten Steig vom Pensionisten-Gletscher bis zum Gasthaus Badl mit den derzeit von der Gemeinde beschäftigten Arbeitern (produktive Arbeitslosenfürsorge) auszubauen. Herr Fuchs macht sich in anerkennungswürdiger Weise erbötig, die Beaufsichtigung der Arbeiten kostenlos zu übernehmen.“ Ein „Pensionisten-Gletscher“! Heute kann sich niemand mehr an diese Bezeichnung für den Wörgler Eisstein erinnern, die damals offenbar noch üblich war.
Im Zuge dieser Begehung wurde auch der Vorschlag gemacht, zu versuchen, die Sprungschanze beim Bad Eisenstein unter Beiziehung aller in Betracht kommender Vereine auszubauen. Herr Dir. Stricker berichtet, dass bereits ein fertiges Projekt und das Gutachten von hervorragenden Fachleuten vorliege, welche die Lage als einzigartig bezeichnen.
Der Fuchsweg erhält seinen Namen
Bei der Ausschuss-Sitzung des Verschönerungsvereines am 6. Oktober 1932 erhält der neue Wanderweg im Süden von Wörgl schließlich seinen Namen. Obmann Mayr berichtete über die „unter tatkräftiger Leitung von Herrn Fuchs“ fertiggestellten Wege bei der Georgsquelle und zwischen Pensionisten-Gletscher und Bad Eisenstein. Er spricht Johann Fuchs im Namen des Verschönerungsvereines herzlichen Dank für seine hervorragende Arbeit aus und beantragt, „dass der neue Steig in Anerkennung der Verdienste des Herrn Fuchs „Fuchs-Steig“ benannt wird.“
Als Fuchsweg wird heute allerdings ein anderer Wanderweg bezeichnet, der vom „Berghäusl“ entlang des Fußes der Möslalm als Höhenwanderweg über den Pfaffenberg bis zum Hauserwirt in Wörgl-Boden führt. Archivarische Aufzeichnungen dazu fehlen, da das Nothilfe-Bauprogramm vom Wohlfahrtsausschuss abgewickelt wurde – und von diesem sind im Stadtarchiv keine Protokolle auffindbar. Beendet waren die Arbeiten jedenfalls 1933, als sich Johann Fuchs gemeinsam mit Oberlehrer Hubert Ascher und Altbürgermeister Sepp Gollner zur Inspektion des Bauwerkes auf den Weg machte.
Bauaufsicht beim Sprungschanzenbau
Johann Fuchs engagierte sich auch anderweitig federführend bei der Umsetzung von Nothilfe-Bauarbeiten zur Errichtung von Tourismus-Infrastruktur. Er beaufsichtigte den Bau der Sprungschanze, den der Verschönerungsverein vorantrieb: „Nachdem der Errichtung einer Sprungschanze beim Bad Eisenstein allgemeines Interesse entgegengebracht wird und der V.V.W. die großen Vorteile einer derartigen Einrichtung für die Gemeinde zur Hebung des Verkehrs erkennt, wird beschlossen, ehestens und zwar am Montag, den 10. Oktober 1932 im Nebenzimmer Gradl eine Besprechung aller interessierten Vereine einzuberufen: und zwar für den V.V.W. Ing. Mayr und Herrn Fuchs, für die Gemeinde Herrn BM Unterguggenberger, VBM Gollner, GR Pirk, für den Verkehrsverein Obmann Gollner, für den Turnverein Obmann Pickl, Dr. Avanzini, Erker, für Alpenverein Dr. Stricker, für Christlich Deutschen Turnverein Spiegel Hans für Naturfreunde Waid Alois“, heißt es im Protokoll vom 6. Oktober 1932. Im Herbst 1932 wurden unter der Bauaufsicht von Johann Fuchs 500 Arbeitsschichten für den Bau der Sprungschanze aufgewendet, die am 19. Februar 1933 mit einem hochkarätig besetzten Eröffnungsspringen feierlich in Betrieb genommen wurde.
Im Zuge des Freigeld-Bauprogrammes wurde noch weitere Erholungs- und Tourismus-Infrastruktur errichtet. Als Sommer-Attraktion wurde ein 1,2 Kilometer langer Trittsteig in die romantische Aubachschlucht angelegt, der heute nicht mehr existiert. Die Nachbargemeinde Kirchbichl begann 1933 mit Wörgler Freigeld den Bau des Moorstrandbades.
Johann Fuchs war auch später, nach dem Zweiten Weltkrieg, noch für die Gemeinde im Einsatz. Er wirkte 1947 im Friedhofsausschuss mit, nahm an Sitzungen teil und übernahm Arbeiten. Bei der Aufstellung der Nepomukstatue bei der Wörgler Bachbrücke 1950 wurde Fuchs mit den erforderlichen Arbeiten betraut, seit ihrer Restaurierung steht die Heiligen-Statue im Wörgler Heimatmuseum.
Drei Jahre nach dem Tod seiner Frau starb Johann Fuchs am 16. März 1956. Im Wörgler Waldfriedhof fand er mit Gattin Theresia die letzte Ruhestätte, in die auch seine Tochter Theresia und seine jüngste Tochter Katharina Nussbaumer und deren Gatte Karl gebettet wurden.
Der Fuchsweg heute
Der heutige Fuchsweg umfasst eine Strecke von 7,1 Kilometer entlang des Fußes der Möslalm vom Café Berghäusl bis zum Gasthof Hauserwirt in Wörgl-Boden. Die Wanderung führt über eine Höhendistanz von rund 150 Metern bei einer Gehzeit von 3 Stunden bis in rund 700 Meter Seehöhe. Der Fuchsweg zweigt bei der ersten Kehre des Möslalm-Forstweges ab und windet sich von dort als schattiger Waldpfad oberhalb der Wörgler Ortsteile Mayrhofen und Wörgler Boden bis zum Riederberg, von dort entlang von Fahr- und Forstwegen über den Pfaffenberg bis zum Ortsteil Weiler Haus.