Es gibt Menschen, die wirken nicht im großen Rampenlicht der Öffentlichkeit, sondern im Stillen – und hinterlassen trotzdem einen großen Fußabdruck in der Geschichte. Zu jenen zählt die Tochter des Wörgler Freigeld-Bürgermeisters Michael Unterguggenberger, Lia Rigler, die am Sonntag, 12. März 2023 im 97. Lebensjahr in Graz für immer ihre Augen schloss.
Lia kam am 26. September 1926 als viertes der fünf Unterguggenberger-Geschwister zur Welt und wuchs in Wörgl in ihrem Elternhaus in der Unterguggenberger Straße 3 auf. Als Volksschulkind erlebte sie das Wörgler Freigeld-Experiment hautnah mit, kamen doch viele Besuche zu den Unterguggenbergers nach Hause. Eine turbulente Zeit, die ihr in lebendiger Erinnerung blieb und ihren späteren Lebensweg beeinflusste.
Der frühe Tod ihres Vaters 1936 war für Lia wie für die ganze Familie ein Schock. Ihre Mutter Rosa führte ihr Geschäft weiter, Lia half mit. Während der NS-Zeit bewahrte die Familie trotz Verbot der Freiwirtschafts-Bewegung Michaels Nachlass mit sämtlicher Korrespondenz in alle Welt auf, nahm die Koffer mit den Unterlagen sogar mit in den Luftschutzkeller. Rosa blieb in Kontakt mit den Schweizer Freiwirten, die das Wörgler Währungsexperiment begleitet hatten. Und als nach Kriegsende Reisen wieder möglich waren, machte sich Lia auf den Spuren ihres Vaters auf, um dessen Wegbegleiter kennen zu lernen. 1948 nahm sie am Freiwirtschaftlichen Kongress in Basel teil und zu Pfingsten 1951 richtete Lia gemeinsam mit der Internationalen freiwirtschaftliche Union mit Sitz in Bern den dritten Internationalen freiwirtschaftlichen Kongress in Wörgl aus.
Lia blieb zeitlebens der Freiwirtschaftsbewegung eng verbunden. Sie erweiterte das Familienarchiv um viele Bücher und Dokumente und unterstützte mit ihrem Wissen und Materialien auch die Durchführung weiterer Geld-Kongresse 1983 und 1996 in Wörgl. Sie gewährte dem Buchautor Dr. Wolfgang Broer Einblick in alle Unterlagen, stellte sie dem Unterguggenberger Institut zur Verfügung und gab immer wieder bereitwillig Medien und Kulturschaffenden Auskunft. Ihre ganz persönlichen Erinnerungen schilderte sie u.a. vor der Kamera der beiden Wörgler Filmemacher Egon Frühwirth und Norbert Perger für den Dokumentarfilm „Michael Unterguggenberger und das Experiment von Wörgl“ als Beitrag zum Wörgler Freigeldjahr 2007.
Beruflich schlug Lia eine künstlerische Laufbahn ein. So lernte sie ihren Mann Fritz in der „Schule des Sehens“ von Oskar Kokoschka kennen – und lieben. Die beiden heirateten, Lia übersiedelte nach Graz und stellte nach der Geburt ihrer beiden Söhne die Familie vor die eigene Karriere, während ihr Mann als ausgebildeter akademischer Maler als Kunsterzieher am Gymnasium in Graz wirkte.
Die Verbindung zu ihrer Heimatstadt Wörgl blieb bis ins hohe Alter aufrecht. Die Ferienzeiten verbrachte die Familie regelmäßig in ihrem Wörgler Domizil. Prof. Fritz Rigler, der 1991 starb, fertigte viele Landschafts-Aquarelle in Wörgl und der Umgebung an. Lia interessierte sich vor allem für das Dreidimensionale – sie schuf zahlreiche Skulpturen, von denen etliche noch heute im öffentlichen Raum zu sehen sind.
Lia Rigler-Unterguggenbergers künstlerisches Schaffen
Lia Rigler-Unterguggenberger studierte bei Toni Kirchmair in Innsbruck, Hannes Rosen in Kufstein, Sergius Pauser in Wien, Oskar Kokoschka, Ewald Mataré und Giacomo Manzù in Salzburg.
Besonders beeinflusst wurde ihre künstlerische Arbeit vom italienischen Bildhauer Manzù, der während des Faschismus im Widerstand aktiv war und zeitlebens Kommunist blieb. Manzù war erst von Picasso, später vor allem von Rodins Kunst beeindruckt.
Zu Lia Riglers bedeutendsten Werken zählt die Büste der Anna Plochl, die im Burghof in Graz in der Reihe der wichtigsten historischen Persönlichkeiten der Steiermark steht. Die Frau von Erzherzog Johann, die aus bürgerlichem Haus stammte, tat sich durch soziales Engagement hervor. Dass ihr ein Denkmal geschaffen wurde, ging auf eine Initiative der Kleinen Zeitung zurück. Im Rahmen einer Kampagne wurden die Steirer gefragt, welche Frauen einen Platz unter den bedeutendsten Persönlichkeiten des Landes im Burghof erhalten sollten. Lia Rigler setzte als Gewinnerin der öffentlichen Ausschreibung das Denkmal dann um.
Anlässlich des Wörgler Freigeldjahres 2007 zeigte eine Ausstellung in der Raiffeisenbank Wörgl Arbeiten des Künstler-Ehepaares: Skulpturen aus zwei Schaffens-Epochen von Lia Rigler-Unterguggenberger – zum Einen naturalistische Figuren, zum Anderen moderne Arbeiten wie den „Landsitz“. Die Aquarelle ihres Mannes Fritz Rigler zeigten Arbeiten aus der Schule des Sehens von Oskar Kokoschka 1956-57, Landschaftsmotive aus Wörgl und Umgebung und Blumenarrangements.
Lia Rigler schuf u.a. auch das Bronze-Porträt ihres Vaters Michael Unterguggenberger am Wörgler Freigeld-Denkmal gegenüber vom Stadtamt, das 1976 zum Jubiläum 25 Jahre Stadt aufgestellt wurde, sowie die Skulptur auf Simon Mayers Gedenkstein am Beginn des Möslalm-Kreuzweges.
Mit Lia Rigler starb das letzte Kind von Michael und Rosa Unterguggenberger, ihr 1935 geborener Bruder Silvio ging ihr 2019 voraus, ihr älterer Bruder Luis kam nicht aus dem 2. Weltkrieg zurück. Zu den vielen Menschen, die sich an Lia Rigler ein liebevolles und ehrendes Andenken bewahren, zählen auch die Mitglieder des Unterguggenberger Institutes.