Informative Buchvorstellung: Das Geld neu erfinden – wozu?

Weltspartag war gestern – wie geht die Menschheit heute mit Geld um? Was ist Geld überhaupt und wozu brauchen wir ein anderes? Das machte am Weltspartag 2017 der Schweizer Währungs- und Wirtschaftsexperte MBA Ing. (FH) Jens Martignoni  auf Einladung des Unterguggenberger Institutes bei der Vorstellung seines neuen Nachschlagewerkes „Das Geld neu erfinden“ im Tagungshaus Wörgl deutlich: „Weil die meisten Probleme weltweit heute mit Geld verknüpft sind und es geht nur in eine Richtung – grenzenlose Ausbeutung aller Ressourcen. Die Situation ist heute schon untragbar.“

Jens Martignoni beschäftigt sich seit 1992 mit alternativen Geld- und Wirtschaftsfragen, ist Dozent für Management an der Fernfachhochschule Schweiz und schreibt gerade an seiner Doktorarbeit an der Universität Köln zum Thema Komplementärwährungen und Genossenschaften. Als Mitbegründer des Vereins NetHood in Zürich arbeitet er an internationalen Forschungsprojekten zu Gemeinschaftswährungen, Netzwerken und Commons. In seinem Buch erläutert er Grundlegendes zu Geld und Währungsmodellen, gibt eine kompakte Einführung in das Thema und einen Überblick über Alternativen für eine nachhaltige und zukunftsfähige Wirtschaft mit vielen Praxis-Beispielen.

Wörgler Freigeld als Vorbild

Zwei davon sind aus Wörgl – das Wörgler Freigeld 1932/33 und die Wörgler Sonnenscheine heute, das Bürgerbeteiligungsmodell der Wörgler Stadtwerke zur Errichtung von Solarenergie-Anlagen. Und das historische Wörgler Währungsexperiment habe noch heute eine „Leuchtturm-Funktion“: „Wörgl 1932 hat eine entscheidende Dimension mehr – es ist ein Kooperationsmodell basierend auf Gemeinschaftseigentum, damit wurden Steuern bezahlt und Infrastruktur für alle geschaffen.“ Denn auch heute gilt: Das Mitmachen einer Gemeinde ist ein Erfolgsfaktor für neue Währungen, die in Form von Komplementär-, Alternativ- oder Parallelwährungen, in Form von Gemeinschaftswährungen, Krypto- und Blockchain-Währungen, als Lokal- oder Regionalwährungen und als Zeitwährungen existieren.

Erfolgreiche Praxis-Beispiele von Komplementärwährungen

„Geld ist ein kollektives Beziehungs-Regelungsinstrument – und diese Regeln sind gestaltbar“, zeigt Martignoni auf. Geld muss nicht zwangsweise zur Vermögensanhäufung bei ganz Wenigen zulasten der großen Mehrheit und der Natur führen. Die Regeln können auch anderes Verhalten belohnen. Wo das schon heute erfolgreich passiert, listet Martignoni im Buch anhand vieler Praxisbeispiele auf. Zu den größten und erfolgreichsten Regionalgeldern heute zählt das vor fünf Jahren gegründete Bristol-Pound in Großbritannien, mit dem ab 2018 auch Kredite an Unternehmen vergeben werden.

Die größte Komplementärwährung der Welt ist der WIR-Franken in der Schweiz mit rund 1,4 Milliarden Umsatz, gegründet 1934. Einer der Gründer war der Schweizer Freiwirt Werner Zimmermann, der während des Wörgler Freigeld-Experimentes Wegbegleiter von Bürgermeister Michael Unterguggenberger war. Der WIR-Franken war Vorbild für den Sardex auf Sardinien, ein bankenunabhängiges, zinsfreies Kreditnetzwerk für lokale Unternehmen, es zählt zu den dynamischsten Regionalwährungen heute und findet Nachahmer in anderen Regionen Italiens.

Ob ganze Region oder kleinerer Wirkungsbereich  – Komplementärwährungen sind vielfältig erfolgreich einsetzbar, wie in Österreich das Beispiel der Langenegger Taltente  in Vorarlberg zeigt. Dank der Gemeindewährung konnte ein florierender Dorfladen und damit das Dorfleben erhalten bleiben.

Ein Geld-Experiment mit dem Publikum

Mit einem Experiment regte Martignoni das Publikum an,  ein „neues“ Geld zu erfinden: „Wir gehen von kollektiven Bedürfnissen aus. Die Gemeinschaft trägt die Währung“, lautete seine Aufforderung, den Kreislauf einer Stadt- oder Quartierwährung zu simulieren und machte damit auch klar, welche Funktion Steuern im Rahmen einer Beteiligungskultur für die Gemeinschaft erfüllen.

CryptoCircle des Unterguggenberger Institutes am 29.11.2017

Geldeigenschaften lassen sich programmieren – das trifft ganz besonders auch auf digitale Krypto-Währungen zu, die derzeit einen Hype verzeichnen.  IT-Technik ermöglicht globales Agieren und bietet neue Gestaltungsräume für solidarische, faire Wirtschaftsbeziehungen. Das Unterguggenberger Institut bietet mit dem CryptoCircle einen Stammtisch für Interessierte am Thema Kryptowährungen, das nächste Treffen findet am 29. November 2017 um 19:30 Uhr bei freiem Eintritt im Tagungshaus Wörgl statt.