Einen Tag lang tagte am 4. Oktober 2016 im Komma Wörgl die Jury und machte sich dabei die Entscheidung nicht leicht, aus 20 eingereichten Projekten jenes Architektenteam zu ermitteln, nach dessen Entwürfen die Südtiroler Siedlung im Stadtzentrum von Wörgl nun erneuert wird. Wettbewerbssieger ist das Innsbrucker Architekturbüro Vogl-Fernheim.
Die Wohnbaugesellschaft Neue Heimat Tirol (NHT) realisiert in enger Zusammenarbeit mit der Stadtgemeinde Wörgl die Neugestaltung der Südtiroler Siedlung mit derzeit 236 Mietwohnungen. Insgesamt sollen im Laufe der nächsten 10 Jahre in fünf Baustufen 348 neue und leistbare Wohnungen errichtet werden, wobei die NHT rund 50 Millionen Euro investiert. Der Baubeginn ist auf dem ehemaligen Billa-Areal an der Steinbacherstraße sowie östlich davon für 2017 geplant.
Aus Kosten- und Wohnqualitätsgründen wurde dem Abriss und Neubau der Siedlung gegenüber einer Sanierung der Vorzug gegeben. „Eine Sanierung hätte bei weiterhin niedrigem Standard die Miete verteuert“, begründet NHT-Geschäftsführer Hannes Gschwentner die Vorgangsweise. Eine Sanierung wäre vergleichbar mit „Kosmetik an der Leiche“. Für den Architektenwettbewerb lagen die städtebauliche Vorgaben ebenso vor wie jene der Wohnbauförderung, Ideen lieferte zudem der Ideenwettbewerb der Fachhochschule Kufstein.
Innsbrucker Architekturbüro Vogl-Fernheim gewinnt
Der Jury lagen zur Entscheidung 20 Projekte vor, die anonymisiert ins Rennen um Punkte gingen. Den Zuschlag erhielt schließlich das Innsbrucker Architekturbüro Vogl-Fernheim, die Jury-Entscheidung war einstimmig. Erfreut darüber zeigte sich Hannes Gschwentner: „Wir arbeiten bereits seit fast 20 Jahren mit diesem Team zusammen und wissen, dass das gut funktioniert.“ Das Siegerprojekt schaffe „nicht eine verdichtete Wohnwüste, sondern eine neue Siedlung mit Wohlfühl-Qualität.“
„Zur Kosmetik an der Leiche – da entsteht eine Mumie, aber kein lebendiger Organismus“, griff Bürgermeisterin Hedwig Wechner die Metapher auf und lobte am Siegerprojekt, dass es sich „auch als Teil in die noch bestehende Siedlung einfügt.“ Der Planungsbereich sei ein „städtebauliches Filetstück“, in dem auch 36 gemeindeeigene Wohnungen liegen, die derzeit von der Alpenländischen Heimstätte verwaltet werden. Die Erneuerung dieses Bereiches stellt die letzte Baustufe dar. Ein Verkauf der städtischen Immobilien – darüber wurde im Gemeinderat bereits diskutiert – sei derzeit nicht angedacht, teilte Wechner mit.
Smart City und
Im Siegerprojekt finden sich Ideen der Studierenden des Hochschulcafés (Info hier) wie eine Wegverbindung zwischen M4 und Bahnhofsstraße oder Flächen für urban gardening, Nutzgärten und ein Sportbereich. „Die Planer haben auch das Smart City-Konzept nicht außer Acht gelassen – kurze Wege und Energieeffizienz“, erklärte Bgm. Wechner. Der neue Stadtteil beinhalte in der ersten Baustufe die Errichtung eines Jugendtreffs, in den die Achterbahn – Mobile Jugendarbeit übersiedeln wird. In der zweiten Baustufe folgt ein zentral gelegener Quartiertstreff, in weiterer Folge soll dann noch ein neuer Kindergarten im nördlichen Bereich errichtet werden. Was Smart City für die NHT bedeutet, erläuterte Gschwentner: „Das heißt nicht, dass alles vollautomatisch elektronisch von außerhalb zu bedienen ist. Smart City heißt energieeffizient bauen, Passivhaus-Standard und Photovoltaik-Anlagen auf den Dächern sowie eine Priorisierung des öffentlichen Verkehrs. Es wird genügend Fahrradstellplätze geben und wir werden versuchen Car Sharing mit E-Autos anzubieten.“
Autoverkehr reduzieren, viel Grünfläche und Fuß- und Radwege
„Unser Interesse ist, städtebaulich zu arbeiten. Wir wollen die Qualität der Südtiroler Siedlung neu interpretieren – diese Qualität sind die Freiräume“, erläuterte Architekt Hanno Vogl-Fernheim die Planungsphilosophie. „Wir wollten die Wohnanlagen nicht abgrenzen. Die Durchlässigkeit ist wichtig – das Gelände ist mit Rad- und Fußwegen durchwegt, es gibt keine Hindernisse.“ Die Baukörper reichen von E+2 bis E+6 in der letzten Baustufe. Die neue Siedlung soll mit Ausnahme der Haupterschließungsstraßen weitgehend autofrei gehalten werden. Der Anwohnerverkehr wird über die jeweiligen Tiefgaragenabfahrten unterirdisch abgeleitet. In der Tiefgarage entstehen rund 380 Stellplätze, nur 20 sind oberirdisch als Besucherparkplätze entlang der Straßenzüge vorgesehen. „Uns war wichtig, 5 bis 6 große Bäume zu erhalten. Bei der Planung der Tiefgararge wurde darauf Rücksicht genommen“, erklärt Vogl-Fernheim. Auch für Neupflanzungen stehe genügend Erdreich für tiefwurzelnde, hohe Bäume zur Verfügung. Die Grünanlagen weisen Nutzgärten auf, auch auf Dachflächen soll urban gardening möglich sein. Alle Wohnungen sind zudem mit großzügigen Balkonen und Terrassen ausgestattet.
„Das Siegerprojekt setzt sich aus versetzten Riegeln sowie zusammengesetzten winkel- und U-förmigen Baukörpern zusammen und interpretiert so die traditionelle Typologie der Südtiroler Siedlung neu. Zwei Hochpunkte wurden als Übergang zum Bestand gestellt. Die Anordnung der Baukörper zueinander lässt – dem Prinzip der historischen Südtiroler Siedlungen entsprechend – großzügige Grünzonen entstehen und gewährleistet maximale Besonnung“, heißt es in der Projektbeschreibung.
„Die Wohnungen sind 2, 3 und 4-Zimmer-Wohnungen und alle zur Sonne hin ausgerichtet, es gibt keine nur nordseitig gelegenen Wohnungen“, so Vogl-Fernheim. Die Wohnbebauung umfasst ein Areal von 32.000 Quadratmetern (ohne Verkehrswege) mit einer Netto-Wohnnutzfläche von 22.000 Quadratmetern.
„Aufgrund unserer Bedarfserhebung wissen wir, dass vor allem kleine Wohnungen gefragt sind. 50 % der Wohnungen werden 2-Zimmer-Wohnungen“, erklärte Bgm. Wechner. „Die Vorgaben der Stadt wurden vom Siegerprojekt 1:1 umgesetzt“, betonte Stadtbaumeister DI Hermann Etzelstorfer, der hofft, dass das Siegerprojekt nun auch so umgesetzt wird.
2017 Baubeginn für 82 Wohnungen
Der Baubeginn für die ersten 82 Wohneinheiten ist für 2017 geplant. „Bereits 2019 werden die ersten Mieterinnen und Mieter ihr neues Zuhause beziehen können“, kündigt NHT-Geschäftsführer Hannes Gschwentner an. Die Mietkosten inkl. Betriebskosten und Tiefgaragenstellplatz werden bei 8 Euro pro Quadratmeter liegen, so Gschwentner. Geheizt wird mit Erdgas oder Pelletts.