Vom Leben, der Landwirtschaft und der Kunst

Eine Brücke zwischen Landwirtschaft und Kunst schlägt die gleichnamige aktuelle Ausstellung in der Galerie am Stadtplatz in Wörgl, die am 15. November 2024 eröffnet wurde und bis 11. Jänner 2025 zu sehen ist. Kurator Dr. Günther Moschig stellte für die Ausstellung des Vereines Polylog, die in Zusammenarbeit mit der Landwirtschaftskammer Tirol entstand, 18 künstlerische Positionen aus einem Jahrhundert  gegenüber – wobei der kulinarische Beitrag der Wörgler Bauernschaft bei der Vernissage an Ort und Stelle verzehrt wurde!

„In den letzten 70 Jahren hat sich die Anzahl der aktiven Landwirtschaften halbiert“, erklärte Reinhard Atzl, stellvertretender Obmann des Vereines Polylog, einleitend. Die Ausstellung wolle mit 18 künstlerischen Positionen zeigen, wie schwer es geworden ist, Bauer zu sein. Atzl begrüßte unter den zahlreichen Vernissage-Gästen Melanie Wiener von der Kulturabteilung des Landes Tirol, Landeslandwirtschaftskammer-Vizepräsidentin Helga Brunschmid und Wörgls Ehrenbürgerin Maria Steiner.

„Zeitgenössische Kunst ist ein Motor für Veränderung und fordert die Bereitschaft, sich auf Neues einzulassen und über den Tellerrand zu schauen. Sie ist ein Seismograph für gesellschaftliche Verunsicherung, regt zum Nachdenken an und hat die Kraft, Brücken zu bauen“, betonte Melanie Wiener. Das Land Tirol könne Rahmenbedingungen und Geld geben, aber „lebendig wird Kunst erst vor Ort. Der Verein Polylog ist ein wichtiger Partner für das Land. Wir sind sehr froh, dass die Galerie am Standort bleiben kann und die Unterstützung durch die Stadt sichergestellt ist“, so Wiener. Die Galerie habe sich etabliert und verfüge über überregionale Strahlkraft. Wiener dankte Kurator Moschig, dieser habe „ein Gespür für aktuelle Themen“, sowie den ausstellenden KünstlerInnen. Wiener: „Die Landwirtschaft steht unter Druck und vor gravierenden Veränderungen. Die Ausstellung bietet spannende Einblicke in die bäuerliche Lebenswelt.“

„Unser Jahresthema lautet Arbeitsplatz Landwirtschaft, dazu wollen wir Zeichen setzen“, erklärte LLK-Vizepräsidentin Helga Brunschmid, die erläuternde Texte zur Landwirtschaft heute gestaltete. Die aufgeworfene Frage, ob es noch echte Bauern in den Bergen gäbe, beantwortete sie mit Zahlen und Fakten: „Derzeit bestehen in Tirol noch rund 14.200 aktive landwirtschaftliche Betriebe, zwei Drittel davon sind im Berggebiet und 8.000 haben eine Fläche von weniger als 5 Hektar.“ Verglichen mit internationalen Betriebsgrößen stelle sich die Frage: „Macht das noch Sinn?“ Die Antwort war eindeutig: Tirol brauche viele kleine Betriebe für Biodiversität und Vielfalt.

Brunschmid spannte in ihrer Ansprache „den Bogen von der Landwirtschaft zur Kunst – Beides ist von Menschen gemacht und Ergebnis eines kreativen Prozesses. Was Künstler machen, wird nicht von allen akzeptiert. In der Landwirtschaft ist es neu, dass unsere Arbeit ständig erklärt werden muss.“ Und Brunschmid sah eine weitere Parallele: „Die Künstler schwimmen auch nicht im Geld!“

Zur Ausstellungsvorbereitung gehörten für Kurator Dr. Günther Moschig zahlreiche Gespräche mit LandwirtInnen. Daraus resultierte die Erkenntnis, dass Bauern und Künstler gleichermaßen für die Menschen wichtig sind – für körperliche und geistige Nahrung. Aber auch, dass „beide von Förderungen abhängig sind.“ In der Kunst sei die Landwirtschaft schon immer ein Thema gewesen. Um den Wandel im vergangenen Jahrhundert widerzuspiegeln, wählte Moschig Fotos und Bilder beginnend in den 1920er Jahren bis heute aus und setzte auf Medienvielfalt. So läuft in der Blackbox der Galerie der Dokumentarfilm „The Cow“ über das Leben einer Kuh.

Film als Medium verwendet auch Antje Schiffers, die für ihr Langzeit-Kunstprojekt unter dem Motto „Ich bin gerne Bauer und möchte es auch bleiben“ bereits über 40 Bauernhöfe weltweit besucht hat und als Tauschgeschäft für Dokumentarfilm-Material von den LandwirtInnen diesen ein Bild vom Hof malt. Antje Schiffers ist in dieser Ausstellung am meisten mit Wörgl verbunden – sie porträtierte den Fohring-Hof der Familie Werlberger in Wörgl Weiler Haus. Bild und Film waren bei der Vernissage zu sehen, weitere Filme aus ihrem internationalen Projekt am 16.11.2024 bei der Langen Nacht des Bauernfilms in der Galerie am Stadtplatz. Weitere Info www.ichbingernebauer.eu/de/

Die Ausstellung, die Wörgls Kulturreferent Sebastian Feiersinger für eröffnet erklärte, zeigt generationsübergreifend einen Blick auf die Herausforderungen der Landwirtschaft im Spannungsfeld der Lebensmittelproduktion für eine stetig wachsende Weltbevölkerung, dem Tierwohl, dem Arbeiten im Familienverband, begrenzter Anbaufläche und Bedrohung der Artenvielfalt durch den Klimawandel. Besonders gefordert ist dadurch die kleinteilig strukturierte Landwirtschaft.

Die Landwirtschaft als Motiv zieht sich nicht nur durch die Geschichte der bildenden Kunst – auch in der Tonkunst war und ist sie Inspiration. Neil Young schrieb 1985 einen Song zum Farmer-Leben, mit dem Tom Stadler den musikalischen Part der Vernissage eröffnete und damit dem gemütlichen Smalltalk in der Galerie eine ganz besondere Note verlieh.

Ausgestellt sind Arbeiten von Andrea Arnold, Mirko Baselgia, Werner Berg, COWCAM, Lois Fasching, Sabine Groschup, Ronald Kodritsch, Paul Albert Leitner, Alois Mosbacher, Artur Nikodem, Erich Ruprechter, Antje Schiffers, Fritz Seelig, Nikolaus Schletterer, Melanie Thöni, Anna Tiessen, Alesch Vital und der Wörgler Bauernschaft.

Die Öffnungszeiten bis 11. Jänner 2025 sind donnerstags und freitags von 16:30-18:30 Uhr und samstags von 10-13 und 14-16 Uhr. Zum Abschluss findet am 10. Jänner eine BYOB-Party statt. Weitere Info: www.am-polylog.at