Keine Veranstaltungen, keine Versammlungen, keine Generalversammlung 2020 – die Corona-Pandemie beeinträchtigt das Vereinsleben – auch beim Heimatmuseumsverein Wörgl. Eine große Herausforderung stellt die anstehende notwendige Räumung des Museums dar, da die Stadtführung das Gebäude veräußern will. Ersatz- oder geeignete Lagerräume werden dringend gesucht.
Der Wörgler Gemeinderat beschloss am 5. November 2020 mehrheitlich die Veräußerung der Liegenschaft „Alte Musikschule“, in der sich auch das Heimatmuseum befindet. Bis 29. November 2020 langte allerdings nur ein Kaufangebot ein. Ein Beschluss über die Veräußerung der Liegenschaft konnte im Gemeinderat im Dezember 2020 nicht gefällt werden, da der Tagesordnungspunkt von Bürgermeisterin Hedi Wechner von der Tagesordnung abgesetzt wurde.
Das von der Stadtführung ausgearbeitete Nachnutzungskonzept sieht laut Beschlussvorschlag im Gemeinderat ein grundbücherlich eingetragenes Fruchtgenussrecht für die Gemeinde für eine öffentliche Fläche von rund 500 Quadratmetern vor. Künftig sollen hier das Heimatmuseum, das Stadtarchiv, ein Mehrzweckraum sowie ein Raum für Gesang & Orchester untergebracht werden. Der größere Anteil der nutzbaren Fläche im Ausmaß von rund 58 % soll als Kirchenwirt mit Gastronomiebetrieb genützt werden. Die Sanierung soll 12 bis maximal 24 Monate dauern, danach sollen die Flächen der Stadt zur Verfügung gestellt werden.
Dem Museumsverein wurde bereits 2019 von der Stadt mitgeteilt, dass das Museum für die Dauer der Sanierung aus dem Gebäude ausziehen muss. Bei diesen Vorgesprächen mit der Stadt wurde dem Verein signalisiert, dass nach der Sanierung dem Museum annährend gleich große Räumlichkeiten im selben Gebäude zur Verfügung gestellt würden, allerdings nicht wie bisher im Parterre.
Der Verein war immer kostenfrei in städtischen Räumlichkeiten untergebracht – ein Großteil der Exponate sind auch Eigentum der Stadt, der geringere Anteil sind Leihgaben. Der Heimatmuseumsverein wickelte 40 Jahre lang ehrenamtlich den Museumsbetrieb ab, kümmerte sich um Inhalte und Vermittlung, organisierte auch auswärts Sonderausstellungen etwa über das Durchgangslager Wörgl, den Rechenschieber und die Aristo-Firmengeschichte oder über das Frühwerk des Wörgler Malers Helmuth Ascher. Mit der Raumsuche für Ersatzquartier oder Lager und Übersiedelung sei man überfordert und benötige Hilfe, das wurde der Stadt wiederholt mitgeteilt und um Unterstützung gebeten.
Mit der Neuaufstellung will der Vereinsvorstand eine Attraktivierung des Museumsbetriebes verbinden, u.a. durch Modernisierung des Museumskonzeptes, Einbeziehung bisher nicht berücksichtigter historischer Themen wie die Geschichte der Eisenbahn und Nutzung multimedialer, interaktiver digitaler Technik. Angedacht ist die Gründung einer eigenen Arbeitsgruppe, in der engagierte Museumsvereinsmitglieder ebenso wie ExpertInnen mitwirken sollen. Da die Neukonzeptionierung mit Kosten verbunden ist, fasste der Vereinsvorstand im Oktober 2019 den Beschluss abzuwarten, welche Räumlichkeiten tatsächlich dann zur Verfügung stehen. Nachdem im Frühjahr 2020 von der Stadt Ausstattungswünsche für die Planung erneut angefragt wurden, holte der Museumsverein bei Mag. Wolfgang Sölder vom Landesferdinandeum eine Expertise über die räumlichen Rahmenbedingungen hinsichtlich Raumklima, Luftfeuchtigkeit, Beleuchtung etc. ein und übermittelte die fachliche Stellungnahme umgehend der Stadt.
Überrascht wurde die Vereinsführung dann von einem Schreiben der Stadtgemeinde am 13. Jänner 2021 mit der Aufforderung, der Verein solle sich um Ersatzräume kümmern, die Museumsräume „rückstellen“ – also räumen – und die Schlüssel im Stadtamt abgeben, begründet mit der geplanten Veräußerung der Liegenschaft. Ohne Nennung einer konkreten Frist. Für die weitere Vorgangsweise betreffend den Auszug aus dem Gebäude kündigte diese Woche nun das Kulturreferat einen Besprechungstermin nach dem 18. Februar 2021 an.
40 Jahre Heimatmuseum Wörgl
Das erste Wörgler Heimatmuseum wurde im August 1932 eröffnet – im selben Gebäude, in dem heute die Stadtgeschichte präsentiert wird. Während der Besatzungszeit nach dem 2. Weltkrieg verschwanden zahlreiche Museumsexponate. An die Einrichtung eines Museum wurde erst Jahrzehnte später wieder gedacht – und so erfolgte die Neugründung des Museumsvereines 1980.
Das Heimatmuseum Wörgl bietet heute einen geschichtlichen Rückblick bis in die Eisenzeit. Gräberfunde aus der Latène-Zeit, Kerbhölzer, die Dokumentation des Wörgler Freigeldes und der lokalen Industriegeschichte mit besonderem Schwerpunkt der Entstehung der Zementindustrie im Raum Wörgl, aber auch die Geschichte des Rechenschiebers oder des Durchgangslagers in der NS-Zeit zählen zu den Wörgler Besonderheiten.
Anlässlich des 40jährigen Bestehens des Heimatmuseumsvereines war 2020 eine Sonderausstellung zum Thema Urgeschichte vorgesehen, die aber aufgrund der Covid19-Pandemie verschoben wurde und im Herbst 2021 in der Galerie am Polylog gezeigt werden soll. Unterstützt wird der Verein dabei von Mag. Wolfgang Sölder vom Landesmuseum Ferdinandeum, das Exponate für die Sonderausstellung zur Verfügung stellt und bei der Ausstellungsabwicklung hilft.
Corona-Pandemie schränkte Museumsbetrieb ein
Während der Sommersaison von 1.6.-30.9.2020 war der Museumsbesuch zu den Öffnungszeiten dienstags & samstags jeweils von 9:30-11:00 Uhr aufgrund der Covid19-Sicherheitsvorschriften ausschließlich nach telefonischer Voranmeldung möglich, was die Besucherzahlen deutlich verringerte. War 2019 noch Hans Gwiggner mit seinem umfangreichen historischen Wissen als Museumsführer tätig, so wurde er 2020 aufgrund der Covid19-Pandemie vom Vereinsvorstand ersucht, aus Rücksicht auf seine Gesundheit eine Pause einzulegen. Freigeldführungen unter der Leitung von Veronika Spielbichler waren weiterhin möglich.
Erinnerungskultur: Gedenken ans Durchgangslager Wörgl
Die Schaffung einer Gedenkstätte an das Zwangsarbeiter-Durchgangslager in Söckingen ist seit der DULAG-Sonderausstellung 2016 eines der Anliegen des Wörgler Heimatmuseumsvereines. Am 3. Juli 2019 fand eine Besichtigung des Geländes mit der Firma Christoph statt, die dort die Errichtung einer Betriebsstätte geplant hat und sich aufgeschlossen hinsichtlich der Schaffung einer Gedenkstätte zeigte.
Im Dezember 2019 startete ein Kooperationsprojekt von Heimatmuseumsverein und Anne Frank Verein Österreich unter Einbindung von Oberstufen-SchülerInnen des BRG Wörgl, bestehend aus 10 Modulen mit Unterrichtseinheiten im Wahlpflichtfach Geschichte mit dem Ziel, einen Vorschlag für eine Erinnerungsstätte zu schaffen – vor Ort wie auch im digitalen Raum. Auch hier verzögert die Pandemie die Projektabwicklung. Projektleiter ist Aaron Peterer, Koordinator des Anne Frank Vereins Österreich.
Aus dem Vereinsleben
Zu den Vereinsaktivitäten zählte die Durchführung eines Zeitzeugengespräches im Heimatmuseum unter dem Motto „Jugend im Krieg“ zum Auftakt der Sommeröffnungszeit 2019 und eine Exkursion zum Bergbau- und Hüttenmuseum Brixlegg mit fachkundiger Führung durch Dr. Wolfgang Rebitsch am 2. November 2019.
Sehr erfolgreich war einmal mehr die Durchführung der Langen Nacht der Museen im Oktober 2019, bei der dutzende WörglerInnen das Museum und die Filmvorführungen von Egon und Astrid Frühwirth im Musikschulsaal im Dachgeschoß besuchten. Aufgrund der Corona-Pandemie wurde die Lange Nacht der Museen 2020 abgesagt.
Auszeichnung fürs Wörgler Heimatmuseum
Das Wörgler Heimatmuseum wurde im November 2019 vom Land Tirol zum „Museum des Monats“ gekürt und wird nun mit dem Beitrag „WUNDER-VOLLES Wörgl“ online auf der Landeswebsite unter https://www.tirol.gv.at/kunst-kultur/kulturportal/museumsportal/museumdesmonats/ von Mag. Tanja Beinstingl inhaltlich vorgestellt.
Heimat.Wörgl und Kleindenkmäler
Zu den engagierten Vorstandsmitgliedern des Heimatmuseumsvereins zählt Franz Bode, Initiator und Administrator der Website heimat.woergl.at mit vielen Bildern und Infos zur Wörgler Stadtgeschichte. Franz Bode organisierte wiederholt Heimat.Wörgl Abende in der Zone Wörgl, u.a. am 15. Juni und 28. September 2019 sowie am 27.9.2019 eine Präsentation beim Seniorentreff im Tagungshaus. Bode sammelt nach wie vor alte Fotografien, Ansichtskarten und Sterbebilder, wobei er bei der Erstellung der Bildbeschreibungen mit Zeitzeugen zusammenarbeitet.
Kulturgut im öffentlichen Raum machte Franz Bode mit der Erfassung und Beschreibung von Flur- und Kleindenkmälern im Rahmen eines EU-Projektes sichtbar. 2017 startete er mit der Erfassung und Dokumentation für die Online-Plattform www.kleindenkmaeler.tirol – und erstellte mittlerweile über 250 Einträge auf der Online-Plattform, darunter sind auch 174 von insgesamt 304 „Wörgler Meilensteinen“. Die ältesten erfassten Exponate befinden sich an Bauernhäusern. Über 100 Taferl brachte Franz Bode gemeinsam mit Stadtarchivar Helmut Wechner im Frühjahr 2020 direkt bei den Klein- und Flurdenkmälern an, beschriftet mit Infos und QR-Code.
Historische Filmschätze
Wörgler Zeitgeschichte wurde im Laufe der Jahrzehnte vielfach auch auf Film festgehalten. Bei der Digitalisierung solcher historischen Schätze war in den vergangenen beiden Jahren mehrfach Erwin Weiskirchner vom Film- und Videoclub Kufstein behilflich. Das Unterguggenberger Institut erhielt aus Leipzig eine historische Filmrolle mit dem 16mm-Spielfilm „Erinnerungen an Wörgl“, der von einem internationalen Gewerkschaftskongress zu Beginn der 1950er Jahre in Wörgl berichtet. Nach einem vereinsinternen Testlauf erfolgte die erste öffentliche Filmvorführung bei der Langen Nacht der Museen 2019.
Von Erwin Weiskirchner erhielt der Heimatmuseumsverein weiteres historisches Filmmaterial, das Weiskirchner durch den Ankauf von Kameras in die Hände fiel. Zu sehen sind Faschingsumzüge in den 1970er Jahren sowie eine Jungschützenangelobung, gefilmt von Hans Linser, sowie Aufnahmen von einem Bezirksmusikfest in den 1950er Jahren.
Vorschau 2021
Die am 8. April 2020 vorgesehene Generalversammlung konnte wegen des ersten Corona-Lockdowns nicht abgehalten werden. Der Verein macht von der gesetzlichen Möglichkeit Gebrauch, sie 2021 nachzuholen.
Die Veranstaltungsplanung ist derzeit schwierig, einerseits aufgrund der Corona-Pandemie. Andererseits wird es von der weiteren Abwicklung des von der Stadt geplanten Verkaufes der Liegenschaft „Alte Musikschule“ abhängen, ob heuer ein sommerlicher Museumsbetrieb möglich sein wird. Eine für 2020 geplante Exkursion zum Kiefersfeldner Heimatmuseum Blaahaus soll 2021 nachgeholt werden, wenn es die gesetzlichen Vorgaben ermöglichen. Ob die für Herbst geplante Urgeschichte-Ausstellung zustande kommen kann, hängt ebenfalls vom Pandemie-Verlauf ab.