Wörgler zu Besuch beim Kulturforum Kufstein

Zwei Städte, in denen vieles gleich, vieles aber auch anders ist – wie und wo könnte da das Kulturleben durch Zusammenarbeit befruchtet werden? Unter diesem Gesichtspunkt lud Kufsteins Kulturreferent Klaus Reitberger erstmals den Wörgler Kulturstammtisch zum Kufsteiner Kulturforum, das am 2. April 2024 im Kufsteiner Rathaussaal tagte.

In den beiden größten Städten des Bezirkes Kufstein bestehen mit dem Kulturforum in Kufstein und dem Kulturstammtisch in Wörgl Einrichtungen für Vernetzung, Austausch und Zusammenarbeit in der Kulturszene. 40 Interessierte fanden sich zum ersten gemeinsamen Treffen ein, um über Erfahrungen, Herausforderungen und Ideen sowie mögliche Kooperationsprojekte zu diskutieren.

Mit Wörgls Kulturreferent Sebastian Feiersinger und Kulturkoordinator sowie Kulturzone-Obmann Andy Winderl waren Repräsentanten der Stadtmusikkapelle Wörgl, der Stadtbühne Wörgl, der Gaststubenbühne Wörgl und vom Verein Wörgler Lichtspiele, vom Kabarett-Duo Peschta & Heiss, vom Kunstverein ARTirol, vom Kammerorchester Wörgl, vom Unterguggenberger Institut und Museum Wörgl sowie von der Bundesmusikkapelle Bruckhäusl dabei. Die Einladungs-Mailinglist für den Wörgler Kulturstammtisch umfasst an die 40 Kulturvereine und Kulturschaffende. In Kufstein sind rund 60 Kulturvereine gelistet und auf der Stadtwebsite nachzulesen.

Auf Zusammenarbeit setzen

„Die Zeiten, in denen Kufstein und Wörgl auf Konkurrenz gebürstet waren, sind vorbei“, stellte Kufsteins Kulturbeauftragter Bernhard Sieberer fest. Heute gehe es darum, der spielerischen Vielfalt der Kultur in der Zusammenarbeit Raum zu geben. Unter den Kufsteiner Kulturforums-Teilnehmern waren neben Kulturverantwortlichen der Stadt Mitarbeiterinnen des Tourismusverbandes, der maßgeblich bei der Vermarktung unterstützt sowie Vertreter von Stadtmusikkapelle, Verein Klangfarben, LMS Kufstein, Film- und Videoclub Kufstein, Trachtenverein D´Koasara, Brettspielverein, Zirkustage Kufstein, Stadttheater Kufstein, Soundakademie, Verein Popkultur (ehemals Kulturfabrik), soziokulturelle Arbeitsgemeinschaft „Bau!“, Jazz-Verein, der Stadtgalerie dia:log, Atelier Barth und Glaskunst Dopsch.

Kultur in Kufstein

Klaus Reitberger ist seit 2016 Kufsteins Kulturreferent und selbst im Stadttheater Kufstein verwurzelt. Seit 2006 inszenierte er über 30 Stücke, spielte vielfach selbst mit, gründete das Kufsteiner English Theater. Der Kultur mehr Stellenwert einzuräumen, das forcierte Kufstein nicht nur am Weg der Subventionen an Vereine. Reitberger engagiert sich auch inhaltlich: „Wir tragen jedes Jahr einen Skulpturenwettbewerb aus, heuer entsteht ein neues Denkmal für den NS-Widerstand.“ Die Stadt stellt das Kulturquartier Anfang September den Kulturvereinen im Rahmen der „Woche der Bühnenkunst“ kostenlos zur Verfügung. Kulturschaffende werden jährlich bei der „Nacht der Kunst“ geehrt und selbst auf die Bühne geholt, das nächste Mal am 20. Februar 2025.

Reitberger trifft die Auswahl der Referenten für die Kufsteiner Nachtgespräche und ging neue Förderwege über Miet-Subventionen. Die Stadt rief ein Patenschaftsprojekt für Kriegsopfer aus der Ukraine ins Leben, bei dem im Sommer Gastfamilien zwei Wochen lang Familien aus der Ukraine beherbergen, Kulturvereine sind in die Freizeitgestaltung des Erholungsurlaubes eingebunden und tragen mit Benefizveranstaltungen zur Finanzierung bei. Die nächste findet am 10. April im Kulturquartier statt – Dr. Gerhard Stadler informiert im Rahmen der Kufsteiner Nachtgespräche ab 19:30 Uhr über den „Mythos Galizien – vom K.K. Kronland zum Krieg in der Ukraine“. Als Herausforderung sieht Reitberger die Budgetsituation, „die nicht leichter wird. Die Vorgabe lautet, 10 % zu kürzen.“

Die Kulturarbeit in Kufstein wird seit vielen Jahren vom Kulturbeauftragten Bernhard Sieberer aktiv unterstützt. Aus dem Kufsteiner Kulturforum entstanden auch schon viele Projekte, etwa die Stadtgalerie dia:log, und als gemeinsame Herausforderung wird das Thema Einbindung der Jugend wahrgenommen.

Kultur in Wörgl

Wörgl Kulturreferent Sebastian Feiersinger ist seit 2022 im Amt und erhielt im Vorjahr mit der Ernennung von Kulturkoordinator Andy Winderl organisatorische Unterstützung. Der Wörgler Kulturstammtisch, bereits von Feiersingers Vorgängern Mallaun eingeführt und von Puchleitner institutionalisiert, wird nach Unterbrechung in der Corona-Zeit wieder vierteljährlich einberufen. Aus dem Kulturstammtisch ging das Guggi Kultur Fest hervor, das heuer zum 2. Mal am 15. Juni am WAVE-Gelände stattfinden wird. Der „Guggi“ ist Wörgls Kulturwertschein, den es angelehnt ans Wörgler Freigeld im Wert von 1, 5 und 10 Euro gibt. Die Bezeichnung ist dem Namen des Freigeld-Bürgermeisters Michael Unterguggenbergers entlehnt und soll künftig Wörgls Kulturmarke werden. Guggi Kulturwertscheine können beim Verein komm!unity erworben und ausschließlich von Kulturvereinen mit einem Abschlag von 10 % in Euro zurückgetauscht werden. Mit dem online verfügbaren guggikalender.com steht ein Veranstaltungskalender für alle Wörgler Kulturevents zur Verfügung, der von den Vereinen selbst befüllt wird. „Das Thema Jugend steht bei uns auch an, ebenso das Thema Green Events“, erklärte Feiersinger.

Die Jugend beschäftigt die Vereine unterschiedlich. Für die Stadtbühne Wörgl zählt Jugendförderung zu den Hauptanliegen, wie Obmann Claus Moser betonte. „Wir haben seit Herbst 2023 eine eigene Jugendgruppe.“ Die auch beim Guggi Kultur Fest mit Auftritten mitwirken wird. Während Wörgls Stadtmusikkapelle noch auf Nachwuchssuche ist, sprengt dieser bei der Stadtmusik Kufstein die Vereinskasse. Die Blasmusikkapelle zählt über 80 Mitglieder und hatte in den vergangenen zwei Jahren 28 JungmusikantInnen einzukleiden und mit Instrumenten auszustatten. „Das kostet ein Vermögen! Eine Subventionskürzung ist da nicht drin“, stellten die Vertreter der Stadtmusikkapelle fest, zumal die österreichischen Blasmusikkapellen kürzlich zum immateriellen Weltkulturerbe ernannt wurden.

Statt „Leitkultur“ Kultur für die Leut`

Vor Herausforderungen stehen beide Städte auch beim Thema Integration. Wie sind Kulturvereine mit Migrationshintergrund derzeit eingebunden? In Wörgl wie in Kufstein bestehen da eigene Strukturen mit wenig Berührungspunkten zur hier verwurzelten Kulturlandschaft.  Konkrete Hürden zeigen sich etwa auch am Beispiel der Musikschulausbildung. Das persische Saiteninstrument Oud kann in Österreich nicht studiert und damit auch nicht an den Landesmusikschulen unterrichtet werden. „Wir haben sehr viele Kinder mit Migrationshintergrund an der Musikschule“, erklärte Kufsteins LMS-Leiter Bahram Pietsch. Wo musizieren diese? Was für ihn die Frage nach der „österreichischen Leitkultur“ aufwirft, die jetzt medial wieder heftig diskutiert wird und bei weitem nicht überall gut ankommt. So meinte Michael Litzko vom Verein Klangfarben dazu: „Aus der Leitkultur soll eine Kultur für die Leut´ werden!“

Theater-Zusammenarbeit wird gefördert

Ein konkret mögliches Kooperationsprojekt stellte Hildegard Reitberger, Obfrau des Stadttheater Kufstein vor: „Das Theaternetz Tirol fördert finanziell sehr gut die Zusammenarbeit von drei Bühnen bei gemeinsamen Projekten, das kann ein Festival, ein Stück oder ein Theaterabend sein. Hier würde sich eine Zusammenarbeit mit Wörgl anbieten.“

Das Kufsteiner Kulturprogramm bindet einmal jährlich unter dem Motto „Kultur aus dem Bezirk“ regionale Kulturproduktionen ein, u.a. wurde dabei 2022 der BMK Bruckhäusl im Kufsteiner Kulturquartier die Bühne geboten. Der TVB Kufsteinerland wertet Kultur in der Festungsstadt sowie den 8 Verbandsgemeinden ebenso auf, gründete 2009 die Marke Kultura für Öffentlichkeitsarbeit und tritt bei den Kufsteiner Glückstagen als Veranstalter auf. Laut Strategiepapier wolle man „die Kulturhauptstadt im Unterland sein“. In den Marketing-Zuständigkeitsbereich des TVB fallen die Festspielhäuser in Erl, das Kulturquartier und die Festung.

Bildende Kunst in Kufstein

Im Bereich der Bildenden Kunst besteht in Kufstein seit vier Jahren die Stadtgalerie dia:log zur Präsentation zeitgenössischer Kunst in Form von Gemeinschafts-Ausstellungen. Heuer wurde mit der Iraner Künstlerin Maryam Kouhestani erstmals ein „Artist in Residence“ nach Kufstein eingeladen. Die nächste Ausstellung Trans:formationen des Kunstkollektives Wildwuchs präsentiert Arbeiten der Iraner Künstlerin sowie von Linda Lichtblau, Stephan Pirker & Daniel Jarosch, Karl Cerwenka, Werner Richter, Christine Mich, Lotti Müller/Noel Fischer, Germana Reindl und Pygmus, Vernissage ist am 12. April um 19 Uhr. Am 20. April hält Maryam Kouhestani um 19 Uhr einen Vortrag, anschließend Erzählcafé zum Thema Flucht & Heimat. Zur Finissage am 25. Mai ab 18 Uhr gibt´s ein Rahmenprogramm mit Menschen aus der Ukraine. Weitere Info www.galeriedialog.net

Zum Atelierfest laden die beiden Künstlerinnen am Festungsberg in der Kinkstraße 34 Thea Barth/Malerei  und Birgit Dopsch/Glaskunst am 4. und 5. Mai 2024. Am Samstag von 18-21 Uhr Vernissage und Performance, am Sonntag von 11-17 Uhr Ausstellung und Workshops.

Eine Zusammenarbeit von Kufstein mit Wörgl mit Bezug zum Wörgler Freigeld wurde von der Stadtgalerie dia:log angeregt und über Erfahrungen mit dem Band-Nachwuchs tauschten sich Wörgler und Kufsteiner Kultur-Akteure aus. Wörgl verfügt mit der Zone, geführt vom Verein komm!unity, über einen multifunktionellen Treffpunkt mit regelmäßigem Veranstaltungsangebot wie Dinnerclub, Tischtennis, Karaoke- oder Spieleabend. In Kufstein bietet der „Bau!“, eine soziokulturelle Arbeitsgemeinschaft ein ähnliches Veranstaltungsangebot – Karaoke, alle zwei Wochen einen Kleidertausch-Brunch und jeden Freitag „open stage“ für Theater, Musik, Zauberei u.s.w.

Wörgler Kulturstammtisch – am 6. Mai im Museum Wörgl und am 27. Mai bei der BMK Bruckhäusl

Das Kufsteiner Kulturforum bot mit gemütlichem Smalltalk in der Pause wie auch danach Gelegenheit zum Kennenlernen und Vernetzen. Das nächste im Juni 2024 wird sich dem Thema Event-Technik widmen. Der nächste Wörgler Kulturstammtisch findet am Montag, 27. Mai 2024 ab 19 Uhr im Probelokal der BMK Bruckhäusl statt und am Montag, 6. Mai lädt der Heimatmuseumsverein Wörgl den Wörgler Kulturstammtisch ab 19 Uhr zum Museumsbesuch in der Brixentaler Straße 1.