Am 12. März 1938 überquerten nationalsozialistische Truppen die Grenze zu Österreich. Einen Tag später wurde das Gesetz über die „Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich“ unterzeichnet. 80 Jahre nach der Machtübernahme des NS-Regimes beleuchtet eine Publikation des Historikers Horst Schreiber erstmals den Anschluss in allen Tiroler Bezirken sowie in der Landeshauptstadt Innsbruck. Die Studie „1938 – Der Anschluss in den Bezirken Tirols“ wurde am Montagabend, 12. März 2018, im Tiroler Landesarchiv präsentiert und ist ab sofort im Innsbrucker Studien Verlag erhältlich.
„Tirol stellt sich seiner Vergangenheit und unterstützt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dabei, das historisch-kulturelle Erbe Tirols zu untersuchen und Licht in die dunklen Kapitel der Geschichte zu bringen“, betont Kulturlandesrätin Beate Palfrader. „Diese äußerst fundierte Studie leistet einen wertvollen Beitrag zur Aufarbeitung der NS-Vergangenheit in Tirol sowie zur Stärkung eines differenzierten Geschichtsverständnisses.“
Die Bandbreite der zwölf Beiträge erstreckt sich vom Aufstieg der NSDAP im Bezirk Kitzbühel über Racheaktionen ehemals illegaler Nationalsozialisten an Exponenten des gestürzten autoritären Ständestaates in Imst bis hin zur Neubestellung regimetreuer Bürgermeister im Bezirk Innsbruck-Land. Weitere Themen sind der Aufstieg des Nationalsozialismus, die Verhaftungswelle nach errungener Macht und erste Maßnahmen zur Sicherung der NS-Herrschaft in den Bezirken Kufstein, Reutte und Landeck.
Überdies beleuchtet die Studie die Rolle der grenznahen Stadt Kufstein als „kerndeutsche Stadt“, nimmt NutznießerInnen der NS-Machtübernahme unter die Lupe und untersucht die Inszenierung des Nationalsozialismus als Umbruchs- und Aufbruchszeit in der Landeshauptstadt. Das abschließende Essay dokumentiert den Anschluss Osttirols anhand von Bildmaterial. „Wenig beachtete öffentliche und private Vorfälle machen sichtbar, welch widersprüchliche, teils skurrile und absurde Auswirkungen die politischen Ereignisse des März 1938 in den Tälern und auf den Bergen Tirols hatten“, erläutert Herausgeber Horst Schreiber.
Die umfassenden Bestände des Tiroler Landesarchivs dienten dabei als wertvolle Quellen. „Das Tiroler Landesarchiv nimmt als zentraler Aufbewahrungsort und historisches wie gegenwärtiges Gedächtnis Tirols eine verantwortungsvolle Aufgabe bei der Aufarbeitung der Geschichte ein“, sagt Landesarchivdirektor Christoph Haidacher.
Der vorliegende Band 21 „1938 – Der Anschluss in den Bezirken Tirols“ der Reihe „Studien zu Geschichte und Politik“ ist eine Kooperation von Land Tirol und „erinnern.at“, dem Institut für politisch-historische Bildung über Holocaust und Nationalsozialismus des Bundesministeriums. Die 536 Seiten umfassende Publikation ist um 24,90 Euro ab sofort im Innsbrucker Studien Verlag erhältlich.
Zu den AutorInnen zählt die Historikerin Mag.a Dr. Gisela Hormayr, die bereits mehrfach über die Arbeiterbewegung und die NS-Zeit publiziert hat. Bisher veröffentlichte sie die Bücher „Ich sterbe stolz und aufrecht“ über Tiroler SozialistInnen und KommunistInnen im Widerstand gegen Hitler (2012), „Die Zukunft wird unser Sterben einmal anders beleuchten“ über Opfer des katholisch-konservativen Widerstandes in Tirol 1938–1945 (2015) und „Wenn ich wenigstens von euch Abschied nehmen könnte“ – Letzte Briefe und Aufzeichnungen von Tiroler NS-Opfern aus der Haft (2017).
Weitere AutorInnen sind Niko Hofinger Rainer Hofmann, Martin Kofler, Richard Lipp, Sabine Pittscheider, Claudia Rauchegger-Fischer, Astrid Schuchter und Roman Spiss.
Text: Mag. Antonia Pidner/Land Tirol