Sie spielte auf der Ehrwalder Alm als „Obergefreiter Gustl“ Friedenstheater mitten im Zweiten Weltkrieg: Liesl Karlstadt, die an der Seite von Karl Valentin als erfolgreichste bayerische Komikerin der 1930er-Jahre berühmt wurde, doch der Lebensrealität durch Selbstmord entfliehen wollte und dann ausgerechnet inmitten todgeweihter Soldaten ihre Rettung fand. Davon handelt die Oper Stillhang aus der Feder des jungen Wörgler Komponisten Christian Spitzenstaetter, die am 28. Dezember 2018 im Festspielhaus Erl mit Isabel Karajan als „Gustl“ ihre umjubelte, grandiose Uraufführung erlebte.
Wär´s nicht tatsächlich passiert – man könnte es auch für einen Schwank von Karl Valentin halten, allerdings mit höchst tragischem Ende. Da taucht eine Selbstmörderin ausgerechnet in der Mordmaschinerie des Krieges unter, findet Halt im Unhaltbaren, meistert diese Hosenrolle, die für sie wie auch für ihr Umfeld ein hohes Risiko darstellte. Und am Ende zahlen die jungen Rekruten auch den Preis, sie werden in den sicheren Tod einer Strafkompanie abkommandiert.
Trotz der Schwere des Stoffes gelingt es sowohl der epischen, stimmungsgeladenen Musik, als auch dem valentinesken Libretto-Text von Klaus Ortner mit viel Situationskomik und Wortspielereien, die scheinbar noch heile Welt auf der Alm abzubilden. Im großartigen Zusammenspiel mit dem Bühnenbild von Peter Lorenz, das vor allem aus „Hoanzen“ zusammengesetzt ist, wird dem Publikum aber zunehmend die bedrückende Lage am Berg vor Augen geführt: Die Holzgestelle, die im Oberland zum Trocknen von Heu verwendet werden, agieren als leblose, symbolträchtige „Mitspieler“ – sie sind Berg, Schutz, Engelsflügel, aber auch Bedrohung, Todesfalle und schließlich ein Gräberfeld.
Kein Vorhang trennt das Publikum im Erler Festspielhaus vom Bühnenraum. So inszeniert Christian Spitzenstaetter die Stille als effektvollen Einstieg in die Oper: Er steht am Dirigentenpult und dirigiert die Stille. Lang, bis es mucksmäuschen still ist im Auditorium und alle Blicke konzentriert auf die Bühne gerichtet sind, auf der 12 Mitglieder des 2014 von Christian Spitzenstätter gegründeten Orchesters Komp.Art zu einem ausdrucksstarken Klangkörper verschmelzen. Aber nur kurz zu sehen sind – dann senkt sich der Orchestergraben, die Bühne gehört den Soldaten und der überwältigenden Isabel Karajan, die sich die Rolle der Liesl Karlstadt angeeignet und verinnerlicht hat.
Unter den Mitwirkenden sind auch drei Wörgler – der Tenor Johannes Puchleitner, der als desillusionierter Rekrut Weiter zu Beginn des 3. Aktes in den Tod stürzt, sowie im Orchester Florian Reider am Klavier und Thomas Wibmer an der Klarinette. Im Orchester Komp.Art wirkten weiters Theresa Doblinger, Fabio Alexandre Monteiro da Silva, Mirco Huser, Yves Ryser, Tim Reichen, Tizia Zimmermann, Mattea Anderes, Jonas Krebs, Marlene Muthspiel und Joachim Pedarnig mit. Als Soldaten waren weiters Frederik Baldus, Sascha Zarrabi, David Zürcher, Josef Ruppert und als strahlender Countertenor Thomas Lichtenecker zu hören. Mit Komik gespickt war der Auftritt von Ilja Martin Schwärsky und Oliver Kessi als Muli-Kopf und Muli-Hinterteil.
Die zur Oper Stillhang erstellte Ausstellung im Foyer des Festspielhauses Erl informiert über Liesl Karlstadt´s Biographie, ihre Bühnenerfolge, ihren Absturz und ihre Zeit auf der Ehrwalder Alm und bleibt noch während der Winterfestspielzeit stehen. Im Rahmen der Premierenfeier bedankte sich Andreas Leisner, der künstlerische Leiter der Festspiele Erl, bei der Stillhang GmbH für das außergewöhnliche Werk und die gelungene Uraufführung, die er „als Glücksfall für unser Haus“ bezeichnete und der Oper noch viele Aufführungen an anderen Häusern wünschte.
Produktionsleiter Johannes Reisigl bat bei der anschließenden Premierenfeier nochmals alle Mitwirkenden sozusagen vor den Vorhang und bedankte sich für Leihgaben, bei Zeitzeugen, der Münchner Schriftstellerin Gunna Wendt und der ganzen Familie Spitzenstaetter für die Unterstützung. Der ausverkauften Uraufführung wohnten viele WörglerInnen und BruckhäuslerInnen bei, darunter auch Wörgls Pfarrer Dekan Theo Mairhofer und Kooperator Christian Hauser. Christian Spitzenstaetter, der derzeit noch an der Hochschule der Künste in Bern studiert, wurde mit Gratulationen, Umarmungen und Händedrücken überschüttet und dürfte sich besonders über das Lob seiner drei wichtigsten Lehrer gefreut haben, die zur Uraufführung gekommen waren – Sepp Rangger von der LMS Wörgl, Walter Seebacher vom Tiroler Landeskonservatorium sowie Ernesto Molinari aus Bern.