Im Rahmen einer Pressekonferenz gab Landeshauptmannstellvertreter Josef Geisler am 4. November 2015 den Startschuss für die Detailplanung für den Hochwasserschutz im Unteren Unterinntal bekannt. Drei bestehende Überflutungsgebiete sollen im Gegenzug zu weiteren Schutzdämmen künftig besser ausgenutzt werden. 4.400 Gebäude im Unterinntal, mehr als die Hälfte davon im Bereich zwischen Brixlegg/Kramsach und Angath, würden bei einem hundertjährlichen Hochwasserereignis unter Wasser stehen. Im Jänner kommenden Jahres starten die Detailplanungen für den Hochwasserschutz im Unteren Unterinntal. Vorgesehen sind auch drei optimierte Retentionsräume.
„Wir wollen jene Siedlungs- und Gewerbegebiete, die laut Gefahrenzonenplänen in der Roten und Gelben Zone liegen, gemeinsam vor dem Hochwasser schützen und wieder zu Flächen mit geringer Hochwassergefährdung machen“, erklärt Katastrophenschutz- und Wasserwirtschaftsreferent LHStv Josef Geisler. Mauern und Dämme sind klassische Bauwerke, um die dahinterliegenden Gebiete vor Hochwasser zu schützen. Ohne entsprechende Ausgleichsmaßnahmen würde das Hochwasser aber nur stärker an die flussabwärts liegenden Gemeinden weitergeschickt. „Deshalb brauchen wir neben diesen Maßnahmen auch Gebiete, in denen wir zusätzlich Wasser ‚parken‘ können“, so Geisler.
LHStv Josef Geisler (Mitte), Martin Rottler (links) und Markus Federspiel (rechts) wollen die Anrainergemeinden des Inns hochwassersicher machen. Foto: Land Tirol/Entstrasser
Mehr Wasser in bestehende Überflutungsgebiete
Bereits im Jänner nächsten Jahres vergibt das Land gemeinsam mit dem Bund den Auftrag für die Detailplanung der Schutzmaßnahmen. Zusätzlich zu den Schutzbauten sollen bestehende Überflutungsgebiete durch technische Maßnahmen wie Einleitungsbauwerke künftig mehr Wasser aufnehmen können und so zu „optimierten Retentionsräumen“ werden.
„Wir leiten kein Wasser in Gebiete, die nicht jetzt schon Überflutungsgebiete sind“, schickt Geisler voraus. Der Auftrag an die Planer ist außerdem, die optimierten Retentionsräume so zu planen, dass möglichst wenige Einzelobjekte betroffen sind. „Und wenn ein Haus oder Hof betroffen ist, so wird dort selbstverständlich ein entsprechenden Schutz oder die Möglichkeit auszusiedeln vorgesehen.“ Vertiefende Gespräche mit den betroffenen GrundeigentümerInnen habe man noch keine geführt, weil die Rahmendbedingungen und die Grenzen der künftigen optimierten Retentionsräume noch nicht klar sind.
Planungen in Kramsach, Kundl/Radfeld und Angath
Im Raum Kramsach/Brixlegg bis Angath geht man mit insgesamt drei optimierten Retentionsräumen in die Detailplanung: dem Retentionsraum Kramsach Voldöpp, dem Retentionsraum Kundl/Radfeld und dem Retentionsraum Angath. Alle drei Gebiete werden bei einem Hochwasser bereits heute überflutet. „Unser Ziel ist es, dass diese Gebiete künftig mehr Wasser aufnehmen können, um eine Abflussverschärfung durch die Hochwasserschutzmaßnahmen zu vermeiden“, erläutert Markus Federspiel, Leiter der Schutzwasserwirtschaft im Land Tirol.
Bei einem hundertjährlichen Hochwasser nimmt der bestehende Retentionsraum Kundl/Radfeld derzeit 3,1 Millionen Kubikmeter Wasser auf, in Kramsach Voldöpp sind es 1,8 Millionen und in Angath 0,5 Millionen Kubikmeter. „Damit im Falle eines hundertjährlichen Hochwassers keine Siedlungs- und Gewerbegebiete mehr überschwemmt werden, müssen wir rund 4,6 Millionen Kubikmeter Wasser zusätzlich kontrolliert in diese Gebiete ableiten“, so Federspiel. Wo und wie genau das passieren soll, wird nun im Rahmen der Detailplanung fixiert.
Ohne Gemeinden kein Hochwasserschutz
Der Hochwasserschutz ist eigentlich Aufgabe der Gemeinde. „Weil im Unterinntal nur ein gemeindeübergreifender Hochwasserschutz realisierbar ist, leistet das Land weitreichende Vorarbeiten. Für die Umsetzung der Schutzprojekte brauchen wir aber die Gemeinden“, verweist LHStv Geisler auf die Notwendigkeit eines Wasserverbands.
Baubeginn 2018
Ende 2017 will man von Landesseite mit dem Detailprojekt fertig sein. Dann sind die Gemeinden am Zug. Bis zu 85 Prozent der Kosten für die Schutzmaßnahmen übernimmt der Bund, der Rest ist von den Gemeinden aufzubringen. Klar ist für Geisler auch, dass es für die GrundeigentümerInnen jener Überflutungsgebiete, die künftig kontrolliert zusätzliches Wasser aufnehmen und als optimierte Retentionsräume dienen, eine Entschädigung geben muss.
Sicherheit und Entwicklungschancen
Im Rahmen von Planungstreffs wurden die GemeindevertreterInnen bislang zu vier Besprechungsrunden zum Thema „Hochwasserschutz – gemeinsam geht’s“ eingeladen. Jetzt sind die Gemeinden aufgerufen, die Randbedingungen für die Planung mit dem Land abzustimmen. Das kann ein Radweg oder ein Naherholungsgebiet ebenso sein wie ein künftiges Siedlungs- oder Gewerbegebiet. „Wir werden uns bemühen, alle Wünsche die umsetzbar und finanzierbar sind, auch zu berücksichtigen“, verspricht LHStv Josef Geisler. Ihm sei bewusst, dass das Thema Hochwasserschutz kein leichtes sei, aber: „Es geht um unsere Sicherheit.“
www.tirol.gv.at/hochwasserschutz
Retentionsräume: Nach Umsetzung des Hochwasserschutzes mit den drei Retentionsräumen in Kramsach, Radfeld/Kundl und Angath sollen keine Siedlungs- und Gewerbegebiete mehr als Gefahrenzonen ausgewiesen werden.
Gefahrenzonen derzeit: Im Abschnitt Brixlegg/Kramsach bis Angath liegen derzeit 45 Hektar Siedlungs- und Gewerbegebiete in der Roten und weitere 115 Hektar in der Gelben Zone.
Fakten zum Hochwasserschutz Unterinntal
Rechtliche Rahmenbedingungen:
Nationale Gesetze und internationale Verträge legen fest, wie bei der Realisierung von Hochwasserschutz vorzugehen ist. Grundsätzlich gilt: Es darf nicht zu einer Verschlechterung oder Verschärfung der Situation für andere kommen.
Gefahrenzonenpläne:
Für den Inn liegen im gesamten Verlauf aktuelle Gefahrenzonenpläne vor. Im Unterinntal im Bereich von Rum bis Kufstein liegen
300 Hektar Siedlungs- und Gewerbegebiete in der Gelben Zone und weitere
60 Hektar in der Roten Zone.
2.500 Hektar sind Überflutungsflächen im Freiland, die im Falle eines Jahrhunderthochwassers überschwemmt werden. 20 Prozent davon würden sich als „optimierte Retentionsräume“ eignen und könnten zusätzlich Wasser aufnehmen.
4.400 Wohnhäuser und Betriebe wären von einem 100-jährlichen Hochwasser betroffen.
Regionalstudie Unterinntal:
Die Regionalstudie Unterinntal ist ein Maßnahmenkonzept, mit dem das Hochwasserrisiko minimiert und die Sicherheit für Mensch, Eigentum und Infrastruktur erhöht wird. Die Regionalstudie teilt das Unterinntal in drei Untersuchungsräume ein.
Rum bis Terfens
Pill/Vomp bis Münster/Reith
Brixlegg bis Angath
In jedem dieser Abschnitte können bauliche Maßnahmen und die dazugehörigen Retentionsmaßnahmen so umgesetzt werden, dass sich die Situation für die Unterlieger nicht verschlechtert.
Planungsabschnitt Brixlegg bis Angath
Der Planungsabschnitt umfasst die Gemeinden Brixlegg, Kramsach, Rattenberg, Radfeld, Breitenbach, Kundl, Wörgl und Angath.
45 Hektar Siedlungs- und Gewerbegebiet in der Roten Zone
115 Hektar Siedlungs- und Gewerbegebiet in der Gelben Zone
Ca. 2.200 Wohnhäuser und Betriebsgebäude betroffen
Nach Umsetzung des geplanten Hochwasserschutzes
KEIN bestehendes Siedlungs- und Gewerbegebiet in der Gelben oder Roten Zone
ALLE Wohnhäuser und Betriebsgebäude geschützt
Schutzbauten (Mauern und Dämme) in ALLEN Gemeinden mit Ausnahme von Breitenbach
Drei optimierte Retentionsräume im Bereich
Kramsach/Voldöpp
Kundl/Radfeld
Angath
Diese bestehenden Überflutungsgebiete nehmen derzeit insgesamt 5,4 Millionen Kubikmeter Wasser auf. Künftig sollen es gesamt rund 10 Millionen Kubikmeter sein.
Zeitplan
Vergabe und Start Detailplanung Jänner 2016
Fertigstellung Generelles Projekt Dezember 2016
Fertigstellung Detailprojekt Dezember 2017
Baubeginn 2018
Hochwasser 2005:
Rund 30 Millionen Euro Schadenssumme im gesamten Unterinntal, davon rund 26 Millionen Euro Schadenssumme im Bereich Brixlegg bis Angath.
Text: Land Tirol/Entstrasser