Eng wurde es bei der Eröffnung der Ausstellung „NS-Zwangsarbeit: Das vergessene Lager in Wörgl“ am 8. September 2016 in der Galerie am Polylog – so groß war das Publikumsinteresse. Der Heimatmuseumsverein Wörgl erarbeitete das Ausstellungsprojekt mit Präsentation der Memory Walk Wörgl-Filme gemeinsam mit dem Anne Frank Verein Österreich. Der Eröffnungsvortrag des Historikers Mag. Erich Schreder, der während der Ausstellungsdauer bis 20. September auch als Videomitschnitt gezeigt wird, lieferte viele weitere Informationen über die Organisation der Zwangsarbeit im Nationalsozialismus.
Das Durchgangslager Wörgl, kurz DULAG genannt, wurde ab Herbst 1941 im Ortsteil Söcking errichtet, im Frühjahr 1942 in Betrieb genommen und vom Landesarbeitsamt verwaltet. Das Lager, bestehend aus 18 Unterkunfts- und vier Verwaltungsbaracken samt Entlausungs- und Desinfektionsstation, hatte eine Aufnahmekapazität von 750 bis 800 Mann, teilweise waren über 1.200 Menschen untergebracht. Von Mai 1942 bis September 1944 wurden 34 Transporte mit 31.759 Personen durchgeschleust, die zu Arbeitseinsätzen in Westösterreich und Bayern geschickt wurden. Nach Beendigung der Zwangsarbeiter-Transporte diente das Barackenlager als Flüchtlingslager und wurde Ende der 1950er Jahre abgerissen.
Nach der Begrüßung durch Heimatmuseumsvereins-Obmann Mag. Markus Steinbacher betonte Bürgermeisterin Hedi Wechner die Bedeutung der Aufarbeitung der Zwangsarbeit der NS-Zeit. Es gehe nicht um Schuldzuweisung, sondern um das Aufzeigen der Fakten. Zwangsarbeiter wurden in allen Bereichen der Wirtschaft – von der Landwirtschaft bis zur Rüstungsindustrie – wie auch auf Baustellen der öffentlichen Hand eingesetzt, etwa zur Beseitigung von Bombenschäden oder den Bau von Luftschutzeinrichtungen.
Einen tiefen Einblick in die „Beschäftigungspolitik“ und Verwaltungsstruktur der Zwangsarbeitseinsätze des NS-Regimes gab der Historiker Mag. Erich Schreder, der seit 20 Jahren aus vielen Archiven Material über das DULAG Wörgl zusammengetragen und ausgewertet hat. Schreder informierte über Organisation und Ablauf der Transporte, den Aufenthalt im Lager, über den Umgang mit den fremden Arbeitskräften, die entsprechend der NS-Rassenideologie je nach Herkunft unterschiedlich behandelt wurden. Verstöße gegen die Vorschriften wurden mit hartem Strafvollzug geahndet. Für verbotenen Geschlechtsverkehr mit deutschen Frauen wurden Zwangsarbeiter hingerichtet, die Frauen in Konzentrationslager gebracht.
Teil der Ausstellung sind zwei Memory-Walk-Filme, die im Rahmen eines Filmworkshops des Anne Frank Vereines Österreich unter der Leitung von Aaron Peterer mit elf SchülerInnen des BRG Wörgl erstellt wurden. Die Jugendlichen begaben sich auf Spurensuche und befassten sich sowohl mit dem Durchgangslager als auch mit anderen Erinnerungsstätten an die NS-Vergangenheit in Wörgl. „Otto Frank, der Vater von Anne Frank hat einmal gesagt: `To build up a future, you have to know the past.´ Um eine Zukunft aufzubauen, musst du die Vergangenheit kennen. Die Geschichte der Zwangsarbeit im 3. Reich ist bei weitem noch nicht aufgearbeitet. Es waren nicht nur wirtschaftliche Interessen der Nazis, die den Einsatz der Millionen Zwangsarbeiter im 3. Reich so massiv machte. Vor allem auch die Rassenideologie der Nazis, die Juden, Roma und Sinti, sowjetische Kriegsgefangene und Ostarbeiter als Untermenschen kategorisierte – diese Ideologie hatte als Ziel die Ausbeutung, Erniedrigung und Vernichtung dieser Menschen“, erklärte Aaron Peterer, Koordinator des Anne Frank Vereins Österreich.
Zu sehen sind die Filme bei der Ausstellung „NS-Zwangsarbeit: Das vergessene Lager in Wörgl“ in der Galerie am Polylog, die bis 20. September 2016 jeweils donnerstags und freitags von 16:30-18:30 Uhr, samstags von 10-13 und 14:00-16:00 Uhr geöffnet ist. Für Schulen und Gruppen auch außerhalb dieser Zeit nach Anmeldung bei Helmut Wechner, Tel. 0699-10626395. Der Eintritt ist frei, die Bevölkerung ist herzlich eingeladen.