Einen Volltreffer landete die Kulturinitiative Langer Grund und das Theater unterLand mit ihrer erstmals in der Kelchsau organisierten Almwanderung mit Stationentheater, die ein außergewöhnliches Kulturerlebnis mit sportlicher Komponente für alle Sinne bot und dabei auch die Realität der Almbewirtschaftung erlebbar machte.
Beim Einzäunen ihrer Yaks hatte die Wörgler Sportlehrerin und Biobäuerin Gabi Brunner im Vorjahr die Idee, mit einer Almwanderung mit Stationen-Theater im Langen Grund in der Kelchsau Menschen in diese Natur- und Kulturlandschaft zu bringen. Und gewann dafür die Wörgler Theater-Macherin Irene Turin mit ihrer Theaterinitiative Theater unterLand ebenso als Gleichgesinnte wie die Bewirtschafter der Richtseitbichl-Alm und der Erla-Brennhütte, die gemeinsam mit Gabi Brunner und ihrem Team auf der Neuhögen-Alm die Verpflegung mit regionalen Spezialitäten übernahmen.
Nachdem sich am Vorabend ein Gewitter entladen hatte, startete am Sonntag, 23. Juli 2017 in Begleitung eines Bergretters und von zwei Wanderführern der Aufstieg nahe der Brennhütte Erla. Der steile Weg vermittelte rund 50 Teilnehmern wie auch der Theatergruppe unterLand einen Eindruck von den physischen Anstrengungen der Arbeit im Gelände. 350 Höhenmeter gehen in die Wadl – als Belohnung wartete Herbert Gwercher und sein Team auf Gabi Brunners Neuhögen-Alm mit Yak-Suppe und Kräutertee als Stärkung auf, bevor es im Stall „Vorhang auf“ für die erste Theater-Darbietung hieß. Nach erfolgreichen Auftritten in Wörgl, Ellmau und Innsbruck spielte das Theater unterLand-Ensemble, in dem vorwiegend junge Flüchtlinge aus Afghanistan mitwirken, zwei Szenen aus ihrem selbst erarbeiteten Stück „Fremd daheim. Daheim fremd.“ Hintergründig und humorvoll, herzerfrischend lebendig vorgetragen und dabei die Herausforderungen des ungewohnten Spielortes bestens gemeistert – mit ihren Sketches über Heiratsanbahnung und einen Einkaufsbummel mit Freundinnen brachten sie das Publikum vielfach zum Lachen, regten aber auch zum Nachdenken an.
Während die Yaks in unmittelbarer Nähe der Almhütten, in Familienverbänden eingezäunt, mit stoischer Ruhe das rege Treiben beobachteten und davon ungerührt blieben, zeigten sich drei Schweine und zwei Ziegen als neugierige, garnicht scheue Zeitgenossen und mischten sich in die Besucherschar. Im 107 Hektar umfassenden Almgebiet, das aus der Neuhögen-Alm und dem Hochleger Molterfeldalm im Frommbachtal besteht, weiden heuer 20 Yaks und 40 Kühe in Muttertierhaltung.
Zu Fuß ging´s dann bergab zur Richtseitbichl-Alm im Eigentum des Wörgler Kargl-Bauern, die vom Boar-Bauern, daheim in Wörgl-Winkl, gepachtet wurde. Bei einer Stallführung macht Marco Persterer den Unterschied von der freien Tierhaltung zur Milch-Almwirtschaft klar: „Unsere Kühe ruhen sich tagsüber im Stall aus, sind nachts auf der Weide und werden zwei Mal täglich gemolken.“ 15 Milchkühe und 20 Jungrinder werden vom Senner-Team betreut, das in einem mobilen Stall Kaninchen und Hühner auf die Alm zur „Sommerfrische“ mitgebracht hat. Während der Tirol-Milch-Tankwagen vorfährt, um die Milch abzuholen, versammeln sich die Almwanderer zur nächsten Theater-Station am Tennenboden, wo sie vom Alm-Personal mit köstlichem Marillenkuchen, Kaffee und Getränken versorgt wurden.
Auf einem Heuballen sitzend packte der Tiroler Kabarettist Gerhard Sexl seine Gitarre aus. In Kolsass aufgewachsen befassten sich die Protestlieder des hauptberuflichen Lehrers schon früh mit Alltagsszenen aus dem Dorf – der Blick aus seinem Zimmerfenster im Sommer auf die Kuhwiese und im Winter auf den Skihang liefern ebenso Stoff für sein lustiges bis kritisches Kabarett wie die Mentalität des Tirolers. „Theater ist Leben in komprimiertester Form“, befindet Sexl, der derzeit mit „Die Träumereien des Herrn Franz“ im Innsbrucker Kellertheater gastiert und beim Almauftritt mit witzig-frechen Liedern bis zum berührenden Liebeslied das Publikum in seinen Bann zog und gekonnt mit den Zuhörern blödelte, unter die sich auch Tirols Kultur-Landesrätin Beate Palfrader mischte. Sie zeigte sich begeistert von der Kulturinitiative und bot an, bei einer Wiederholung des Stationentheaters auf der Alm nächstes Jahr selbst auf der Bühne zu stehen.
Bläserweisen, am Waldhorn von Schorsch und Friedel am Balkon der Richtseitbichl-Alm vorgetragen, begleiteten die Wanderschar bei der Ankunft und beim Abmarsch zur letzten Station bei der Erla Brennhütte. Dort servierten die Wirtsleute wahlweise Hirschbraten oder Kaspressknödel sowie hausgemachte Kuchen. Mit Gitarre und spitzer Zunge gestaltete der Tiroler Kabarettist und Schauspieler Florian Adamski, der seit kurzem in Penningberg in Hopfgarten zu Hause ist und gerade an einem Casting für einen Spielfilm der österreichischen Filmproduktionsgesellschaft Epo-Film übers Wörgler Freigeld teilgenommen hat, seinen Auftritt. Ehemalige Lehrer, die er im Publikum entdeckte – dazu gehört auch Irene Turin – band er spontan in seine Performance ein, die kreativen Sprachwitz ebenso beinhaltete wie zotige Blödelei und gerade noch rechtzeitig vor dem aufziehenden Gewitterschauer zu Ende war.
„Alles hat super gepasst!“ – überwältigt vom großen, positiven Echo auf den erlebnisreichen, einzigartigen Almtag sind die beiden Veranstalterinnen Gabi Brunner und Irene Turin, die die Kulturinitiative Langer Grund ins Leben gerufen haben, bereits eine Neuauflage 2018 überlegen und sich bei den Sponsoren herzlich bedanken – namentlich beim Land Tirol, der Raiffeisenbank Kufstein, der Tiroler Versicherung, der Gemeinde Hopfgarten, dem Tourismusverband Kitzbüheler Alpen – Ferienregion Hohe Salve und dem Studio Simonson.