Sieben Namen stehen auf der neuen Gedenktafel an der Kirchhofmauer in Wörgl, die an Opfer des Widerstandes sowie der religiösen und rassistischen Verfolgung durch den Nationalsozialismus erinnern. Bei der Gedenkfeier zur Enthüllung am 23. Oktober 2015 rückte die mahnende Botschaft ins Licht der aktuellen Flüchtlingskrise. „Diese Gedenktafel soll erinnern, dass es unsere Aufgabe ist, uns gegen alles Unrecht zu erheben und dabei kein Platz ist für politische, religiöse oder rassistische Ausgrenzung“, betonte Bürgermeisterin Hedi Wechner.
Pfarrer Theo Mairhofer begrüßte zur Gedenkfeier im Kirchhof, die von Bläsern der Stadtmusikkapelle Wörgl feierlich umrahmt wurde. In Zeiten brüchig gewordenen Friedens sei Einstehen für friedvolles Zusammenleben Gebot der Stunde. „Wer wirklich Frieden will, darf nicht hetzen und keine Gewalt anwenden, auch nicht in Worten“, zitierte Mairhofer die österreichische Schriftstellerin Luise Rinser und mahnte dazu, eine Sprache zu finden, die Würde, Respekt und Achtung des Anderen diene, denn „das ist der Boden für ein gutes menschliches Miteinander trotz all der Probleme.“
„Nach 70 Jahren stehen die Zeichen wieder auf Sturm. Hunderttausende sind auf der Flucht“, schlug Bürgermeisterin Hedi Wechner die Brücke in unsere Zeit und meinte, dass „Widerstand gegen Hass heute Zivilcourage“ heiße.
Die Initiative zur Anbringung der Gedenktafel mit namentlicher Nennung der NS-Opfer durch die Stadt kam vom Museumsverein. Im Sinne der Erinnerungskultur sollte nicht nur an die Namen von Kriegsopfern, die am Kriegerdenkmal im Kirchhof angeführt sind, sondern auch jener Menschen und ihrer Schicksale gedacht werden, die sich dem NS-Regime widersetzten oder aus religiösen und rassistischen Motiven verfolgt und getötet wurden. Bei Auswahl der Namen und Erarbeitung des Gedenktafeltextes wirkten die Historiker Dr. Horst Schreiber und Dr. Gisela Hormayr mit, denen Museumsvereinsobmann Mag. Markus Steinbacher ebenso dankte wie den Vorstandsmitgliedern Egon Frühwirth und Mag. Günther Moschig, die das Projekt im Museumsverein betreuten. Ein Dank für die Umsetzung ging weiters an die Stadtpolitik und Pfarrer Theo Mairhofer, der die Gedenktafel segnete und sie als Mahnmal und Warnung vor Fanatismus bezeichnete.
Die Schicksale der Wörgler NS-Opfer
Die Schicksale der sieben aufgelisteten Opfer stellte Dr. Gisela Hormayr vor. Alois und Josefine Brunner hatten sich einer Widerstandsgruppe angeschlossen, wobei vor allem Josefine eine Schlüsselrolle inne hatte, die man einer Frau nicht zugetraut hatte. Josefine wurde als Kurier ausgebildet und war in Tirol, Salzburg, Wien und Bayern unterwegs. Die kleine Widerstandsgruppe bestand bis 1942 und wollte in kleinen Kadern die Zeit nach der NS-Herrschaft vorbereiten. Beide wurden im April 1942 verhaftet und ein dreiviertel Jahr von der Gestapo in Innsbruck verhört. Im Mai 1943 fällte der Volksgerichtshof in Innsbruck in einer einstündigen Verhandlung drei Todesurteile – zwei waren Josefine und Alois Brunner. Sie wurden nach München-Stadelheim gebracht, durften sich im Gefängnis nicht mehr sehen und am 9.9.1943 hingerichtet.
Major Sepp Gangl kam im April 1945 nach Wörgl und schloss sich dem Widerstand an, dessen Haupt er wurde. Es galt zu verhindern, das SS-Einheiten weitere Zerstörungen anrichten. Schloss Itter war Nebenlager des KZ Dachau und beherbergte prominente französische Häftlinge, denen ebenfalls Gefahr von herumziehenden SS-Truppen drohte. Gangl suchte Kontakt zu amerikanischen Truppen in Kufstein und zog mit lokalen Widerstandskämpfern nach Itter, um die Häftlinge zu befreien. Er wurde am 5. Mai 1945 im Vorhof des Schlosses erschossen, als er die Geiseln aus der Schusslinie in Sicherheit bringen wollte. Gangl wurde in Wörgl begraben, die Sepp-Gangl-Straße ist heute noch nach im benannt. Zur Gedenkfeier reiste sein Sohn Norbert Gangl eigens aus Ludwigsburg an.
Heftige Kritik am NS-Regime kostete auch Stefan Valentinotti, der 1940 mit seiner Familie aus Südtirol nach Wörgl kam, das Leben. Er war nicht in einer Widerstandsgruppe organisiert, hatte aber in Italien schon gegen Mussolini gewettert und übte am NS-Regime schriftlich Widerstand, auch mit anonymen Schreiben an die Gauleitung. Er wurde Opfer eines Denunzianten am Arbeitsplatz, wurde im Mai 1944 verhaftet und nach Innsbruck gebracht, bevor ihn der Volksgerichtshof in Berlin zum Tod verurteilte. Zu diesem Zeitpunkt wurde von der Reichsleitung jede Form von Kritik als Gefahr gesehen, selbst wenn sie von einem Einzelnen ausging. Valentinotti bezeichnete Hitler als Massenmörder und sagte, es sei eine Schande, Deutscher zu sein. Fünf Wochen nach der Urteilsverkündigung im September 1944 wurde Valentinotti hingerichtet, ein Abschied von seiner Familie blieb ihm verwehrt.
Anna Gründler war Zeugin Jehovas und wurde wegen ihrer Zugehörigkeit zu dieser seit 1935 verbotenen Religionsgemeinschaft verhaftet. Den Glaubensgrundsätzen treu zu bleiben bedeutete für Zeugen Jehovas, keine Flaggen aufzuhängen, den Hitlergruß zu verweigern, Ehrungen abzulehnen, bei Sammlungen nicht mit zu machen und den Wehrdienst zu verweigern. Anna Gründler wurde am 11.1.1939 abgeholt, nach Innsbruck und dann ins Übergangslager Lichtenburg gebracht, von wo aus sie ins KZ Ravensbrück überstellt und 1944 in der Gaskammer ermordet wurde.
Die Geschichte der jüdischen Familie Gottlieb ist im Wörgler Heimatbuch nachzulesen. Die Eltern von drei Kindern kamen vor dem 1. Weltkrieg nach Wörgl, erhielten 1916 das Heimatrecht und betrieben ein Textilgeschäft. Nach dem Anschluss ans Deutsche Reich begannen Repressalien, der Betrieb wurde 1938 arisiert, die Familie musste Wörgl verlassen und nach Wien übersiedeln. Während die Söhne Otto und Erwin im Februar 1939 die Ausreise nach Shanghai schafften, blieben die Eltern und Tochter Irma zunächst in Wien. Die Tochter und ihr Mann versuchten, mit einem illegalen Transport nach Palästina zu gelangen, wurden aber am Balkan von NS-Truppen eingeholt und ermordet. Die Eltern Rudolf und Elisabeth Gottlieb wurden ins KZ Theresienstadt gebracht und starben im Frühjahr 1943 kurz hintereinander.