Hochwasserschutz: Land Tirol hilft Gemeinden

Das Land Tirol übernimmt bei Hochwasserschutz-Großprojekten künftig die Hälfte der Gemeindekosten – das teilte Landeshauptmann-Stv. Josef Geisler bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Stanser Bgm. Michael Huber als Obmann des Wasserverbands Mittleres Unterinntal sowie dem Wörgler Bgm. Michael Riedhart als Obmann des Wasserverbandes Unteres Unterinntal am 27. April 2022 in Innsbruck mit.

Die Wasserverbände starten den Hochwasserschutz mit Einrichtung von Retentionsräumen in Jenbach/Stans und Kramsach/Voldöpp. Zudem sind Kraftwerkserweiterungen im Kühtai und Kaunertal mit hoher Schutzwirkung fürs Ötztal geplant, wobei diese aber eine geringe Auswirkung auf die Hochwassersituation im Unterinntal haben. Das Schutzkonzept fürs Unterinntal bleibt gültig, Retentionsräume weiterhin notwendig sein.

3.700 Gebäude und 280 Hektar Bauland in 20 Gemeinden zwischen Terfens und Wörgl sind bei einem 100-jährlichen Hochwasserereignis von Überflutung und Sachschäden in der Höhe von 850 Millionen Euro bedroht. Zusätzliche alpine Kraftwerkspeicher würden diese Gefahr im Unterinntal nur eingeschränkt reduzieren – und auch erst dann, wenn sie tatsächlich in Betrieb sind. Die Wasserverbände im Mittleren und Unteren Unterinntal treiben die Planungen und die Umsetzung für den Hochwasserschutz voran. Das Land Tirol unterstützt die Gemeinden bei Großprojekten in den nächsten Jahren mit einem Sonderbeitrag und übernimmt die Hälfte der für die Gemeinde anfallenden Kosten.

„Der Hochwasserschutz im Unterinntal ist ein Mammutprojekt, bei dem das Land Tirol neben dem Bund den Gemeinden und Wasserverbänden massiv unter die Arme greift. Mit einem Sonderbeitrag des Landes für Hochwasserschutz-Großprojekte reduzieren wir die Belastung der Gemeinden um rund die Hälfte“, erklärt LHStv Josef Geisler. Die Kosten für den Hochwasserschutz im Mittleren und Unteren Unterinntal werden auf rund 600 Millionen Euro (Preisbasis 2019) geschätzt. Rund 100 Millionen Euro davon müssen die Gemeinden, die für den Katastrophenschutz zuständig sind, stemmen. Bis zu 85 Prozent der Kosten für den Hochwasserschutz übernimmt der Bund. ÖBB, ASFINAG, TIWAG sowie die Landesstraßenverwaltung beteiligen sich als Infrastrukturträger. Für das heurige Jahr sind 1,2 Millionen Euro an Sonderbeiträgen des Landes für die Gemeinden budgetiert.

„Wir haben in den Wasserverbänden die operative Arbeit aufgenommen und gehen in die Detailplanung und Projektumsetzung. Damit fallen Kosten für die Gemeinden an“, sehen der Stanser Bgm Michael Huber als Obmann des Wasserverbands Mittleres Unterinntal sowie der Wörgler Bgm Michael Riedhart als Obmann des Wasserverbandes Unteres Unterinntal den Sonderbeitrag als wichtige Stärkung zum richtigen Zeitpunkt.

Start mit Retentionsräumen in Stans/Jenbach und Kramsach/Voldöpp

Die nächsten Schritte im Mittleren Unterinntal sind der Neubau der Steinbrücke in Schwaz sowie die Umsetzung des Hochwasserschutzes für Jenbach. „Bei der Steinbrücke besteht Verklausungsgefahr. Mit dem Neubau, der 2024 fertig sein soll, beseitigen wir ein Abflusshindernis und entschärfen die Hochwassergefahr in Schwaz. Für den Retentionsraum Stans/Jenbach, der 690.000 Kubikmeter Wasser fasst, wird gerade das Einreichprojekt finalisiert. Hier braucht es noch Gespräche mit den GrundeigentümerInnen, damit wir das Gewerbegebiet und das Wohngebiet in der Rossschwemme, die im Hochwasserfall sehr früh von Überflutungen betroffen sind und ein hohes Schadenspotenzial haben, so rasch wie möglich schützen können“, skizziert Verbandsobmann Michael Huber die nächsten Schritte im Mittleren Unterinntal.

Auch im Unteren Unterinntal wird intensiv gearbeitet. „Wir gehen in die Detailplanung für die Retentionsräume und wollen mit dem Retentionsraum Kramsach/Voldöpp, der den Schutz von Brixlegg und Rattenberg sowie teilweise für Kramsach und Radfeld ermöglicht, starten. Im Frühsommer starten im Retentionsraum Kramsach/Voldöpp die Gespräche mit den GrundeigentümerInnen. Bis Ende des Jahres soll die Detailplanung vorliegen. Begleitend dazu gehen wir in den Dialog mit den GrundeigentümerInnen, Bürgerinitiativen und der Bevölkerung“, führt der Wörgler Bgm Michael Riedhart für das Untere Unterinntal aus.

Studie alpine Kraftwerkspeicher liegt vor

Die weiteren Schritte der Wasserverbände bauen auf dem vorliegenden Schutzkonzept und den zugrunde gelegten Modellen und Daten auf. Nunmehr liegt auch die Studie zur Wirkung alpiner Kraftwerkspeicher für den Inn vor. „Wir haben mit der vorliegenden Studie nunmehr auch Auswirkungen jener großen Kraftwerksprojekte auf die Hochwassersituation am Inn untersucht, die bereits in Umsetzung bzw. eine realistische Chance auf Realisierung haben. Wie wir schon aus vergangenen Untersuchungen wissen, nimmt die Rückhaltewirkung mit der Entfernung aber ab. Durch die alpinen Kraftwerkspeicher wird der Hochwasserschutz im Ötztal signifikant verbessert, sie sind aber kein Ersatz für Hochwasserschutzmaßnahmen am Inn. Für das Unterinntal wäre vor allem das hochwasseroptimierte Kraftwerk Kaunertal nach seiner Realisierung eine Zusatzversicherung gegen den Klimawandel, für das Ötztal jedenfalls ein massiver Sicherheitsgewinn“, fasst LHStv Josef Geisler zusammen.

Sicherheitsgewinn für Ötztal, Zusatzversicherung für Inntal

Konkret untersucht wurden in der Studie die Auswirkungen der in Bau befindlichen Kraftwerkserweiterung im Kühtai mit einem Einzugsgebiet von 68 km2 sowie der geplanten Erweiterungen des Kraftwerks Kaunertal mit einem Einzugsgebiet von 280 km2 auf die Hochwassersituation im Inntal. Vorausgesetzt wurde, dass die Speicher unbeschränkte Kapazität für den Hochwasserrückhalt haben. „Nach Realisierung der Kraftwerkserweiterungen ist die Reduktionswirkung an der Ötztaler Ache am Pegel in Umhausen mit fast 20 Prozent am größten. Um 3,2 Prozent geringer wäre die Hochwasserwelle statistisch gesehen nach Realisierung der beiden Kraftwerkserweiterungen am Inn beim Pegel Oberaudorf an der Grenze zu Bayern“, erklärt Markus Federspiel, Vorstand der Abteilung Wasserwirtschaft. Beim Hochwasser 2005 hätten die beiden zusätzlichen Kraftwerkspeicher im Tiroler Oberland die Hochwasserspitze in Oberaudorf lediglich um 1,8 Prozent oder sechs bis sieben Zentimeter verringert. „Jedes Hochwasser ist anders. Ob und in welchem Ausmaß Speicher wirken, hängt immer von der Niederschlagsverteilung ab. Auch das wissen wir bereits aus anderen Studien.“

Die Zusammenfassung der Studie als pdf lesen Sie hier: Alpine_Retention_PK

Retentionsräume unverändert

Die Kernfrage für die GrundeigentümerInnen in den geplanten Retentionsräumen im Unterinntal ist, ob sich durch die zusätzlichen Kraftwerkspeicher der Flächenbedarf für die Retentionsräume ändert. „Die Ausdehnung der Retentionsräume bleibt unverändert. Die Überflutungen in die Retentionsräume treten aber seltener auf und die Wasserhöhen werden teilweise geringer. Selbst wenn die beiden zusätzlichen Kraftwerkspeicher im Kühtai und im Kaunertal schon in Betrieb wären und damit überhaupt auf das Schutzprojekt angerechnet werden könnten, hätte das keine wesentlichen Projektänderungen zur Folge. Zum Schutz der Bevölkerung und der Sachwerte im Unterinntal braucht es sowohl die Retentionsräume als auch die Schutzdämme und Mauern in vollem Umfang“, fasst Markus Federspiel zusammen.

Text: Land Tirol/ Mag. Christa Entstrasser-Müller