Wenig Bürgerinteresse an Wörgler Gemeindeversammlung

„Wörgl ist kein Sanierungsfall und auch kein Finanzsaustall“ – mit dieser Feststellung eröffnete Wörgls Bürgermeisterin Hedi Wechner am 16. November 2017 im Komma Wörgl die öffentliche Gemeindeversammlung, deren Tagesordnung das Thema Budgetkonsolidierung in den Mittelpunkt rückte. Das Interesse der Wörgler Bevölkerung, diese gesetzlich jährlich vorgesehene gemeindepolitische Plattform für Anfragen und Anregungen zu nützen, hielt sich sehr in Grenzen: Den 18 BesucherInnen im Publikumsraum saßen eindeutig mehr Auskunftspersonen in den Reihen von Gemeinderat und Stadtverwaltung gegenüber.

Bürgermeisterin Hedi Wechner listete eingangs Mehrbelastungen vor allem im Sozial- und Gesundheitsbereich auf, die ohne entsprechende Gegenfinanzierung die Stadtkasse leeren. Da wäre etwa der 30%-ige Anteil der Gemeinde an den Kosten für die Mindestsicherung: „2008 betrugen die Ausgaben 283.366 Euro, 2017 liegen sie bereits bei 1.105.603 Euro“, so Wechner. Die von der Bundesregierung beschlossene Abschaffung des Pflegeregresses koste die Stadt jährlich mindestens 160.000 Euro. Am 9. November 2017 unterzeichnete der Wörgler Gemeinderat mit einstimmigem Beschluss eine Resolution des Gemeindeverbandes, dass diese Kosten der Bund übernehmen solle. Mehrkosten entstehen der Gemeinde auch bei Todesfällen von Menschen ohne Hinterbliebene – deren Bestattungskosten übernimmt nicht mehr das Sozialamt. Stetig nach oben gehen auch die Kosten für die Gesundheitsversorgung – so kostet die Krankenhausumlage 2017 bereits 3.495.000 Euro, wovon 2,5 Mio. an die Tirol Kliniken und 1 Mio. ans Bezirkskrankenhaus Kufstein gehen.

Zum Kostenanstieg komme, dass in den vergangenen Jahren Gemeindeabgaben wie die Getränkesteuer vom Bund abgeschafft wurden, ohne dafür Ersatzeinnahmen vorzusehen. „Wir müssen auch in Zukunft handlungsfähig bleiben. Wenn wir so weitermachen wie jetzt, können wir in einigen Jahren kein Budget mehr erstellen“, so Wechner.

Haushaltspläne, die auch die Umsetzung von Großprojekten betreffend den ureigensten Aufgabenbereich der Gemeinde beinhalten. „Der Seniorenheim-Zubau kostete heuer 5,6 Millionen Euro. 2018 wird das Feuerwehrhaus um 5,3 Millionen Euro errichtet, der Neubau des Hauses der Musik kostet inklusive Einrichtung 5,4 Millionen Euro“, listete Wechner laufende Großvorhaben der Stadt auf. Dazu kommen noch Straßenbau-Vorhaben wie der derzeitige Bau des Kreisverkehrs Poststraße. „Derzeit setzt die Stadt inklusive des Fernwärmeausbaues ein Investitionsvolumen von 30 Millionen Euro um“, so Wechner.

Um auch künftig noch Geld für notwendige Investionen zu haben, seien Einsparungen beim laufenden Haushalt notwendig. Wechner erläuterte nochmals die Arbeitsweise der ICG-Beraterfirma, die Einsparungspotenziale gemeinsam mit der Stadtamtsbelegschaft eruierte. Aus 214 Ideen wurden 95 Maßnahmen, die über die Jahre hinweg 8 Millionen einsparen sollen. Die Vorgabe der ICG lag beim Doppelten, bei 16 Millionen Euro. 2018 sollten 1,8 Millionen Euro weniger ausgegeben werden, wobei dieses Einsparungspotenzial nicht voll zu Buche schlage, z. B. aufgrund bestehender Verträge. Der Optimierungsplan stammt zwar von der ICG, aber „die Entscheidungen trifft der Gemeinderat. Es geht nicht darum, jemandem etwas wegzunehmen, sondern darum, handlungsfähig zu bleiben. Auch der nächste Bürgermeister soll noch ein Budget erstellen können“, so Wechner.

Wo soll am meisten eingespart werden?

„Wo sollen denn die größten Brocken eingespart werden?“ wollte Klaus Walter wissen, schloss in seine Frage die geplante 20%-Kürzung bei den Vereinen ein und verlangte von den Politikern angesichts dessen, auf einen Teil ihrer Aufwandsentschädigung zu verzichten. „Am meisten sparen wir bei der Raumplanung, am wenigsten im Sozialbereich“, antwortete Wechner. Die Politik spare bei den Repräsentationsausgaben 21.000 Euro, nicht aber bei den Aufwandsentschädigungen für die Mandatare – diese würden vielfach für Vereinszuwendungen und Einladungen verwendet.

„Was sind die Einsparungen im Sozialbereich?“ lautete eine weitere Publikumsfrage. Worauf Wörgls Sozialreferent NR Christian Kovacevic die 10 Maßnahmen, die der Sozialausschuss bearbeitete, auflistete. Bgm. Wechner betonte, dass das Seniorenheim und die Kinderbetreuungseinrichtungen auch weiter von der Stadt geführt werden sollen, eine Ausgliederung und damit Privatisierung sei derzeit kein Thema.

Was kostet Wörgl das WAVE?

„Wie hoch ist der jährliche Abgang durch das WAVE?“ fragte Klaus Walter. „Bis März 2032 haben die Stadtwerke jährliche Annuitätenverpflichtungen zur Rückzahlung des Kredites in Höhe von 750.000 Euro. Die laufenden Kosten werden zu 100 % aus den Einnahmen gedeckt“, informierte Stadtwerke-GF Reinhard Jennewein. Bgm. Wechner wies auf die 30%ige Stützung der Eintritte für WörglerInnen hin. „Das kostet heuer zwischen 120.000 und 150.000 Euro, für 2018 sind im Budget 95.000 Euro vorgesehen“, informierte Vizebgm. Sportreferent Hubert Aufschnaiter. „Das Sportbecken verursacht einen Abgang von jährlich 200.000,- bis 300.000 Euro“, erklärte Wechner. Eingepreist sind in diese Angaben keine Innovationen – weitere Attraktionen müssten neu veranschlagt werden.

Fernwärme-Ausbau bis 2025 um 38 Millionen Euro

Jennewein informierte weiters über den Ausbau der Fernwärme, mit dem 2014 begonnen wurde. Der Netzbau von Ost nach West gehe weiter, derzeit sind rund 300 Objekte angeschlossen. Die Energiezentrale, die die Abwärme der Tirol Milch mit Wärmepumpen aufbereitet, liefert damit rund ein Drittel des Wörgler Wärmeverbrauches. „Bis 2025 soll die Kernzone Wörgls flächendeckend angeschlossen sein. Das bedeutet eine Investion von insgesamt rund 38 Millionen Euro. Wir liefern damit 54.000 Megawattstunden und erzielen einen jährlichen Umsatz von 3,7 Millionen Euro“, so Jennewein. 2018 wird der Netzausbau in der Federer-, Salzburger- und Ladestraße bis zum NHT-Projekt in der Südtiroler Siedlung fortgesetzt. 2019 soll in der Ladestraße und entlang des Angatherweges bis zum Schließung des Leitungsringes bei Berger Logistik am Bahnhofsplatz weitergegraben werden. Mit der Netzerweiterung wird auch ein zweiter Abwärme-Einspeiser benötigt. Bis März 2018 soll entschieden sein, wer das wird. Das Fernwärme-Projekt bringe eine Win-Win-Situation für alle: „Es fördert die regionale Wertschöpfung und reduziert die Schadstoffe.“

Radwege im Fokus

Wie es mit dem Ausbau des Wörgler Radwege-Netzes weitergeht, wurde ebenso gefragt, wobei besonders die Radfahrer-taugliche Anbindung des WAVE ein Thema war. Derzeit werden an der Radwegsanierung zwischen Wörgl und Kundl gearbeitet, teilte Stadtbaumeister Etzelstorfer mit. „2018 ist eine Erweiterung Richtung Angerberg vorgesehen“, teilte Sportreferent Aufschnaiter mit. Das WAVE sei über den Gießenradweg angebunden, der südlich verlaufende Radweg beim Waldleger wurde im Zuge des Zauberwinkl-Forststraßenbaues neu geschottert. Der Weg gehöre der Dorfinteressentschaft. Nicht mehr aktiviert wird die Radwegverbindung nach Angath über den Innsteg entlang des Inns.  Wechner: „Aufgrund der Hangrutschungen dort sind die Sanierungskosten zu hoch.“

Wie geht´s weiter mit der Nordtangente?

„Wie geht es weiter mit der Nordtangente? Liegt die Fertigstellung in weiter Ferne?“ wollte Martin Mey wissen. Dr. Egerbacher vom Bauamt teilte mit, dass für den Bau des Kreisverkehrs Ost derzeit die wasserrechtlichen Untersuchungen laufen. Einen Zeitplan gäbe es derzeit nicht. „Das kann die Stadt nicht stemmen. Die Kreisverkehrskosten wurden mit 11, 12 Millionen Euro beziffert. Das Land wird uns da unter die Arme greifen müssen“, meinte Bürgermeisterin Wechner.

Thematisiert wurde weiters Wörgls Verschuldungsgrad, der sich zwischen 25 und 35 % bewegt. Die genaue Berechnung erfolgt erst mit dem Jahresabschluss 2017. Klaus Walter brachte den Fall jener Gymnasiallehrerin zur Sprache, die mit einer Übersetzungsübung politischen Wirbel verursachte. Walter beklagte, dass nicht der Beschwerde-Instanzenweg eingehalten wurde und „daraus politisch Kapital geschlagen wurde“. NR Carmen Schimanek begründete ihre Vorgangsweise damit, dass sie „der Aufforderung besorgter Eltern“ nachgekommen und dieser Satz ein Skandal gewesen sei.

Bereits nach einer Stunde war die öffentliche Gemeindeversammlung beendet, für die Bürgermeisterin Wechner die obligate Spielzeit eines Fußballmatches mit 90 Minuten angesetzt hatte. Wie auch immer die schwache Beteiligung nun gewertet wird – schade ist es jedenfalls, dass offenbar wenig Interesse an einer Beteiligungskultur besteht und sich die junge Generation überhaupt nicht angesprochen fühlte, die Gelegenheit zu nützen, selbst zu Wort zu kommen.