Das Land Tirol legte am 10. Februar 2022 den Jahresbericht 2021 über große Beutegreifer in Tirol vor. Mit ernüchternder Bilanz für die Bauern: 619 tote und vermisste Nutztiere sowie 220.000 Euro Schaden durch Wolf, Bär und Goldschakal. Nachgewiesen sind 14 verschiedene Wölfe, drei verschiedene Bären sowie sieben Mal ein Luchs und vier Mal ein Goldschakal. Immer mehr Landwirte fordern deshalb die Einrichtung einer Wolfs- und Bärenfreien Weidezone Tirol, um den Fortbestand der jahrhundertealten, unsere Kulturlandschaft prägenden Almwirtschaft zu sichern. Wölfe reißen nicht nur Schafe, sondern hetzen auch Rinder und dringen bis ins Siedlungsgebiet vor.
„Erste Erkenntnisse aus Herdenschutz-Pilotprojekten zeigen, dass die Kosten für die Schafalpung und der Arbeitsaufwand erheblich gestiegen sind. Hochqualifiziertes Almpersonal ist absolute Mangelware. Das Land Tirol unterstützte Pilotprojekte mit 380.000 Euro“, teilt Mag. Christa Entstrasser-Müller in der Presseaussendung des Landes Tirol mit – hier weiter im Wortlaut:
Der Jahresbericht 2021 des Landes Tirol über Bär-Wolf-Luchs und Goldschakal liegt vor. Im vergangenen Jahr ist die Zahl der nachgewiesenen großen Beutegreifer wie auch die Zahl der Nutztierverluste neuerlich massiv gestiegen. Mit 619 toten und vermissten Almtieren hat sich die Zahl der Nutztierverluste gegenüber 2020 verdoppelt. 14 verschiedene Wolfsindividuen und erstmals drei verschiedene Bären wurden 2021 in Tirol entweder genetisch, über Spuren oder Bilder nachgewiesen. Zudem wurde sieben Mal ein Luchs bestätigt. Vier Mal ergab die DNA-Analyse einen Goldschakal.
220.000 Euro Schaden durch Wolf und Bär
378 tote Schafe, Ziegen und ein Rind sowie einige verletzte Tiere wurden 2021 von den Sachverständigen in Zusammenhang mit der Präsenz von Wölfen, Bären und Goldschakalen gebracht. Mit 77,5 Prozent ist der Großteil der toten Nutztiere Wölfen zuzuordnen, knapp 22 Prozent werden Bären zugeschrieben. Rund 190 Mal sind AmtstierärztInnen und Sachverständige ausgerückt, um vor Ort Rissbeurteilungen vorzunehmen und Proben für genetische Untersuchungen zu sammeln. 241 Tiere wurden in einem örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit Rissgeschehen als vermisst gemeldet. Aufgrund einer unmittelbar drohenden Gefahr wurden außerdem rund 2.300 Nutztiere vorzeitig von 21 Almen abgetrieben und mussten auf den Heimbetrieben mit Futter versorgt werden. Der Schaden beläuft sich in Summe auf über 220.000 Euro.
Erste Erkenntnisse aus Herdenschutz-Pilotprojekten
2021 wurden auf Projektalmen im Tiroler Oberland auf mehrere Jahre angelegte Herdenschutz-Pilotprojekte zur Umsetzung von gelenkter Weideführung und Herdenschutzmaßnahmen gestartet. „Es wurden zwei verschiedene Modelle erprobt, um erste Erfahrungen mit Herdenschutz zu sammeln und in der Frage des Wolfsmanagements weiterzukommen. Unser Ziel ist die Erhaltung der Almwirtschaft und der damit verbundenen Leistungen für die Freizeitgestaltung, die Katastrophenvorsorge, aber auch die Biodiversität“, hält LHStv Josef Geisler fest und zieht vor allen Beteiligten seinen Hut.
Kostenanstieg um mehr als 400 Prozent
Nunmehr liegen die ersten Ergebnisse aus den zwei fachlich intensiv begleiteten Projekten auf der Spisser Schafbergalm und der Lader Heubergalm vor. Beide Almen liegen in touristisch wenig frequentierten Gebieten. Es zeigen sich enorme Kostensteigerungen für die Schafalpung um mehr als 400 Prozent sowie eine deutlich gestiegene Arbeitsbelastung nicht nur für das Almpersonal, sondern auch für die BewirtschafterInnen und deren HelferInnen. Die Abkehr vom freien Weidegang der Schafe hat auch Auswirkungen auf Fresszeiten, Bewegungsmuster, Gewichtsentwicklung und die Übertragung von Krankheiten.
Höchste Anforderungen an Almpersonal
Auf beiden Pilot-Almen wurden erstmals eigene Schafhirten angestellt. Dabei hat sich gezeigt, dass selbst ein erfahrener Hirte samt Hütehund die Herausforderungen zumindest im ersten Jahr nicht alleine bewältigen konnte. Grundsätzlich ist die Verfügbarkeit von hochqualifiziertem Almpersonal ein Schlüsselfaktor. LHStv Geisler: „Die Alm ist ein Saisonarbeitsplatz. Hirten sind ein Mangelberuf und im gesamten Alpenraum rar gesät. Und für die Umsetzung von gelenkter Weideführung und Herdenschutz braucht es echte Profis, die entsprechend entlohnt werden müssen. Diese Arbeit ist mühevoll und hat nichts mit Almromantik zu tun. Allein vor diesem Hintergrund sind die in Erprobung befindlichen Modelle nicht auf die 400 Tiroler Schafalmen umlegbar. Wir reden hier allein für die Schafalmen von Hunderten Hirten, die es schlicht und ergreifend nicht gibt. Daran wird auch die geplante Ausbildungsoffensive nichts grundlegend ändern.“
Das Land Tirol hat im Jahr 2021 im Summe drei Herdenschutz-Pilotprojekte mit knapp 380.000 Euro unterstützt. 100.000 Euro wurden 2021 alleine für Hirten aufgewendet. Ein großer Kostenfaktor sind auch Erstinvestitionen. Knapp 130.000 Euro mussten im ersten Projektjahr in Hirtenunterkünfte investiert werden. Zaunmaterial und Zaunarbeit wurden mit rund 62.000 Euro unterstützt. Rund 26.000 Euro wurden für Transportflüge mit Hubschraubern aufgewendet. Vorbereitende Maßnahmen zur Sicherstellung der Tiergesundheit der aufgetriebenen Schafe schlugen sich in Summe mit 50.000 Euro zu Buche.
Weitere Informationen: www.tirol.gv.at/baer_wolf_luchs